Die ukrainischen Landwirte ernten in diesem Jahr rund 3,5 Millionen Tonnen Sojabohnen. Marktkenner schätzen, dass die Hälfte davon gentechnisch verändert (gv) ist. Dabei ist der Anbau von gv-Soja in der Ukraine verboten. Die Regierung will jetzt per Gesetz die Kontrollen verbessern und die Strafen verschärfen. Die Ernte von zertifiziert gentechnikfreien Sojabohnen im Partnerschaftsprogramm des Vereins „Donau Soja“ wird voraussichtlich mit 600.000 Tonnen einen neuen Rekord erreichen.
Das ukrainische Landwirtschaftsministerium schätzt die diesjährige Ernte an Sojabohnen auf 3,5 Millionen Tonnen. Damit trägt die Ukraine mehr als ein Drittel zur europäischen Sojaernte von 9,6 Millionen Tonnen bei. Die Zahlen teilte ENGA, der europäische Verband der gentechnikfreien Wirtschaft, mit und warnte zugleich davor, dass – „nach Schätzungen von Marktquellen“ – etwa 50 Prozent der Ernte illegal angebaute gv-Sojabohnen seien. Diese Angabe deckt sich mit anderen Quellen. Schon 2018 untersuchte die rumänische Umweltorganisation Agent Green Blattproben von 60 Sojafeldern in sechs Regionen der Ukraine (der Informationsdienst Gentechnik berichtete). Auf der Hälfte der Felder wuchsen gv-Bohnen, deren Anbau dort schon damals nicht erlaubt war. Und das US-Landwirtschaftsministerium schrieb im November 2021 in einem Bericht über Gentechnik in dem osteuropäischen Land: „Industriequellen in der Ukraine berichteten, dass 50-65 Prozent der Sojabohnen, 10-12 Prozent des Rapses und weniger als ein Prozent des für den Export produzierten Maises positiv auf gentechnische Veränderungen getestet werden.“
Auch Susanne Fromwald, Projektleiterin der Protein Partnerschaften beim europäischen Verein „Donau Soja“ und Vorstandsmitglied bei ENGA, hält die 50 Prozent gv-Soja für eine realistische Schätzung. „Es gibt keine offiziellen Zahlen; aber Stichproben, die wir und andere Marktteilnehmer machen, bestätigen das Problem.“ „Donau Soja“ zertifiziert europaweit gentechnikfreien Sojaanbau und ist in der Ukraine mit einem eigenen Büro vertreten. Die Standards von „Donau Soja“ schreiben vor, dass nachweislich gentechnikfreies Saatgut verwendet werden muss, was im Rahmen von externen Audits jährlich kontrolliert wird. Dabei würden etwa Blätter der Soja-Pflanzen untersucht, ob sie gentechnisch verändert wurden, so Fromwald. Auch aus der Ernte würden Proben getestet. Dabei habe es bei den mit „Donau Soja“ verbundenen Landwirten „in all den Jahren keine Probleme gegeben“, versichert die Projektleiterin. Der Verein schule Landwirte wie Lagerhausbetreiber und berate sie. Agent Green habe die gv-Soja 2018 auf Feldern von Landwirten gefunden, die nicht von „Donau Soja“ zertifiziert waren.
„Wir rechnen damit, dass in diesem Jahr 600.000 Tonnen nach unseren Standards angebautes Soja in der Ukraine geerntet werden, das wäre ein Rekord“, kündigt Fromwald an. Hinzu kommt gentechnikfreie Soja, die nach VLOG-Standards (Verband Lebensmittel ohne Gentechnik) oder von Bio-Verbänden zertifiziert wurde. Wie berichtet hatten Bauern- und Erzeugerverbände im Sommer mehrfach behauptet, es werde wegen des Ukrainekrieges 2022 nicht genug gentechnikfreie Soja geerntet, um die Produktion von Milchprodukten und Geflügel ohne gentechnisch verändertes Tierfutter sicherzustellen. Jenseits der zertifiziert gentechnikfreien Erzeugnisse sieht Fromwald eine gewisse Zweiteilung im Export: „Die Ukrainer wissen, dass in der EU und insbesondere im deutschsprachigen Raum stärker kontrolliert wird und achten darauf, wohin sie exportieren. Lieferungen mit gv-Soja gehen deshalb eher in die Türkei oder den Nahen Osten.“
Um gegen die illegalen gv-Sojafelder vorzugehen, hatte die ukrainische Regierung dem Parlament bereits 2021 zwei Gesetzentwürfe vorgelegt. Der eine soll die Strafen für illegalen gv-Anbau verschärfen; der zweite das nationale Gentechnikrecht an das der Europäischen Union angleichen und die Kontrolle verbessern. Dass dies dringend notwendig ist, zeigt eine Randbemerkung im Bericht des US-Agrarministeriums: „Nach dem derzeitigen ukrainischen Rechtsrahmen ist es fast unmöglich, einen illegalen Produzenten von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Ukraine zu bestrafen, da in den geltenden Gesetzen nicht explizit festgelegt ist, welche Behörde für die gerichtliche Verfolgung von Verstößen zuständig ist.“ Wegen des Krieges wurden die beiden Gesetzentwürfe bisher nicht beraten. Dies soll nun nachgeholt werden, wie die ukrainische Plattform pigua.info berichtete. Die Republik Moldawien hat übrigens ein solches Gesetz bereits verabschiedet, wie ENGA meldete. Auch in Moldawien wurde schon illegaler gv-Anbau nachgewiesen.
Dass trotz des Krieges die ukrainische Sojaernte stabil blieb, erklärt Susanne Fromwald mit folgenden Faktoren: Der Schwerpunkt des Sojaanbaus liegt in der Zentral- und Westukraine und war vom Krieg weniger betroffen. Zudem bauten viele Landwirte angesichts der explodierenden Düngerpreise mehr Sojabohnen an, da diese keinen Dünger brauchen und zusätzlich noch Stickstoff in den Boden bringen. Und auch der Export der Soja funktioniere, da große Lagerhallen und Verarbeiter nahe der EU-Grenzen liegen und gut an das Transportnetz der EU angebunden sind. [lf/vef]