Chinesische Wissenschaftler*innen berichteten in einer Studie, wie sie durch Verdoppeln eines Gens bei Reis 40 Prozent höhere Erträge erzielten. Das Fachblatt Science veröffentlichte die Arbeit zusammen mit lobenden Kommentaren anderer Pflanzengenetiker*innen. Der Tenor lautete: Ein wichtiger Durchbruch, um mit Gentechnik die Welternährung zu sichern. Eine Woche später kritisierte eine angehende Pflanzenzüchterin auf Twitter die Darstellung als irreführend. Eine Einschätzung der zahlreiche Züchtungsexperten auf Twitter zustimmten. Die gentechnikkritische Plattform GMWatch dokumentierte die Auseinandersetzung und verglich den Vorgang mit dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern.
Die Forschenden der Chinesischen Akademie für Agrarwissenschaften hatten in einer speziell für die Forschung gezüchteten Reissorte die Kopie eines Gens eingebaut, das mehrere Stoffwechselfunktionen regelt. Durch die Doppelung habe die Pflanze mehr Stickstoffdünger aufgenommen, die Photosynthese gesteigert und früher geblüht, heißt es in der Studie. Die Wissenschaftler*innen hatten ihren Reis von 2018 bis 2021 in Feldversuchen in verschiedenen Regionen Chinas angebaut und berichteten von Ertragssteigerungen von 41,3 bis 68,3 Prozent gegenüber unveränderten Reispflanzen. Das zusätzliche Gen bauten die Foschenden auch in eine kommerzielle Hochertragssorte ein sowie in Weizen. Die Hochertragssorte habe bis zu 40 Prozent höhere Erträge geliefert und beim Weizen sei die Ernte um rund 20 Prozent besser ausgefallen, berichtete Science. „Das ist eine große Zahl. Erstaunlich“, zitierte das Magazin die Reis-Gentechnikerin Pam Ronald von der Universität von Kalifornien. Matthew Paul von Rothamsted Research, ein britisches Gentechnik-Institut, nannte die Ertragssteigerung durch die Manipulation eines einzigen Gens „wirklich beeindruckend“. Ähnlich enthusiastisch waren die Beiträge in britischen und US-amerikanischen Zeitungen, die GMWatch dokumentierte. In Deutschland brachte bisher nur die Plattform Heise.de einen übersetzten US-Beitrag zu der Studie.
Eine Woche nach Erscheinen des Science-Artikels twitterte Merrit Khaipho-Burch, angehende Pflanzenzüchterin und Doktorantin an der Universität von Hawaii, die Arbeit sei irreführend. Sie begründete dies in ihrem Tweed mit mehreren Argumenten: Die Ertragssteigerungen von 41,3 bis 68,3 Prozent seien mit einer Reissorte erzielt worden, die nur für Forschungszwecke und nicht auf Ertrag hin gezüchtet worden sei. Die Feldversuche seien jeweils nur mit 99 bis 120 Pflanzen durchgeführt worden, einer sehr kleine Anzahl für Ertragsversuche. Würde man die pro Versuchsfeld geerneten Gramm-Mengen hochrechnen, käme man auf 1,16 bis 1,39 Tonnen Reis je Hektar. Dies sei ein „unglaublich niedriger Ertrag“, verglichen mit den 6,8 Tonnen durchschnittlicher Reisernte pro Hektar in China, schrieb Khaipho-Burch. Vermutlich deshalb hätten die Forschenden auch eine kommerzielle Hochertragssorte entsprechend verändert und von Steigerungen zwischen 10 und 40 Prozent berichtet. Hochgerechnet hätten die Mengen einen Ertrag von sieben bis acht Tonnen Reis pro Hektar erbracht. In anderen Studien habe dieselbe Elitesorte ohne gentechnische Veränderung jedoch etwa zehnTonnen pro Hektar erzielt. Merritt Khaipho-Burch schloss ihren Twitter-Beitrag mit dem Hinweis, dass Pflanzenzüchter, wenn sie eine konsistente Auswirkung auf den Ertrag nachweisen wollen, groß angelegte qualitätskontrollierte Versuche mit Elitesorten in verschiedenen Umgebungen durchführen müssten. „Übertriebene Studien in renommierten Fachzeitschriften“ hätten zur Folge, dass mehr Geld „in die Untersuchung unzuverlässiger Einzelgeneffekte“ fließe , statt in die traditionelle Pflanzenzüchtung, die seit langem „schrittweise, stabile und wiederholbare Ertragssteigerungen“ hervorbringe.
Für ihren Beitrag erhielt die Züchterin überwiegend unterstützende Antworten, auch von ausgewiesenen Expert*innen. „Es gibt gute Gründe, physiologische Fragen im Labor zu beantworten, aber man sollte die Ergebnisse nicht extrapolieren, um zu glauben, dass sie auf dem Feld anwendbar sind“, schrieb Marissa Collins, Agrarwissenschaftlerin an der La Troube Universität Melbourne. „Trotz 30 Jahren und vieler Milliarden, die dafür ausgegeben wurden, gibt es nur sehr wenige molekularbiologische Erfolgsgeschichten in der Landwirtschaft“, kommentierte Seth Murray, Maiszüchter an der Universität von Texas. Selbst Pam Ronald, die die Studie gelobt hatte, räumte ein: „Wir müssen qualitativ hochwertige Feldversuche durchführen, um die Erträge genau zu bewerten“.
Wie in der Geschichte mit des Kaisers neuen Kleidern habe die Studie über gentechnisch veränderten Reis nur Beifall geerntet, bis eine Studentin der Pflanzenzüchtung sich zu Wort meldete und auf die nackten Daten hingewiesen habe, schrieb GMWatch über den Vorgang und kommentierte abschließend: „Die Leichtgläubigkeit der Herausgeber von Fachzeitschriften und die unkritische Haltung eines Großteils der Medien führen dazu, dass das Potenzial der Pflanzengentechnik künstlich weit über das hinaus aufgeblasen wird, was sie tatsächlich zu leisten vermag, und zwar auf Kosten von bewährten und bereits verfügbaren Lösungen.“ [lf]