Während die Koalitionsfraktionen im Bundestag noch über das Gentechnikgesetz verhandeln, lud das federführende Bundeslandwirtschaftsministerium kürzlich die gesellschaftlichen Kräfte zum Dialog über die „neuen molekularbiologischen Techniken“. Tenor der geladenen Wissenschaftler aus der Anwendungsforschung: Die neuen Techniken wie CRISPR-Cas seien nützliche, preiswerte und risikoarme Züchtungsinstrumente für Pflanzen und Tiere. Gentechnikkritische Organisationen monierten, die Veranstaltung sei parteilich gewesen, und mache kurz vor der Bundestagswahl wenig Sinn.
„Voraussetzung für einen fundierten Dialog ist eine ausgewogene natur- sowie wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Debatte“, sagte der Geschäftsführer des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Peter Röhrig, als Stakeholder. „Dabei dürfen nicht nur die zu Wort kommen, die neuartige Gentechniken einsetzen wollen oder von deren Entwicklung leben.“ Im wissenschaftlichen Teil der Dialogveranstaltung referierten Prof. Stefan Schillberg vom Fraunhofer Institut für Molekularbiologie, Prof. Nicolaus von Wirén vom Leibniz Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung sowie Prof. Angelika Schnieke vom Lehrstuhl für Biotechnologie der Nutztiere der Technischen Universität München
Weil die neuen Techniken die DNA auch nicht stärker verändere als pflanzeneigene Mechanismen, sei eine Unterscheidung zwischen „natürlicher“ und „über genome editing erzeugter“ Mutagenese biologisch und ökologisch bedeutungslos, meinte etwa Prof. von Wirén. Er plädierte dafür, die Regulierung nicht am Verfahren anzuknüpfen, sondern an den neuen Sorten.
Der Versuch, technische Eingriffe ins Genom nicht mehr als Gentechnik zu benennen, sei ein Angriff auf die Wahlfreiheit, kritisierte dagegen Barbara Maria Rudolf von Saat:gut e.V.. So würde den Menschen die Möglichkeit genommen, ohne Gentechnik zu leben. „Wir wehren uns gegen diese Mogelpackung und fordern: Wo Gentechnik drin ist, muss auch Gentechnik draufstehen!“, so Rudolf in einer Pressemitteilung.
Kritik erntete auch der Moderator des „Dialogs“, der Theologe Prof. Peter Dabrock. Der Vorsitzende des deutschen Ethikrates hatte die Gentechnikkritiker im Februar in einem Aufsatz in die Ecke des Postfaktischen gerückt. „Wir beschäftigen uns seit 30 Jahren wissenschaftlich mit dem Thema Gentechnik“, wehrte sich dagegen Christoph Potthoff vom gen-ethischen Netzwerk. In seinen Augen sei Prof. Dabrock der falsche Moderator für einen offenen Dialog. [vef]BÖLW-Statement zum BMEL-Dialog zu neuartigen Gentechniken (25.4.2017)Saat:gut e.V.: Kulturelles Unbehagen entsteht, wenn die Gesellschaft mit
Volldampf in die Sackgasse steuert!Peter Dabrock: Kulturelles Unbehagen kann nicht verboten werden, Leopoldina aktuell 1/21017BMEL: Flyer Dialogveranstaltung vom 24.4.2017