RoundUp von Bayer/Monsanto (Foto: Mike Mozart, http://bit.ly/2yIfwuQ, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/) ++ UPDATE ++ Wie erwartet lässt die Europäische Kommission den Unkrautvernichter Glyphosat übergangsweise bis 15.12.2023 zu, um der Lebensmittelbehörde EFSA mehr Zeit zu geben, seine Risiken zu prüfen. Die Aurelia-Stiftung hält die verbreitete Praxis, die Genehmigung von Pestizidwirkstoffen schon vor dem Abschluss der vorgeschriebenen Risikoprüfung zu verlängern, für einen gravierenden Verstoß gegen das europarechtliche Vorsorgeprinzip. Sie plant daher, die aktuelle Glyphosat-Entscheidung der EU-Kommission vom Europäischen Gericht überprüfen zu lassen. Bei einem Expertengespräch der Anwaltskanzlei [GGSC] verwies Aurelia-Vorstand Thomas Radetzki gestern auf Recherchen der Organisation foodwatch, wonach bei etwa 30 Prozent aller in der Europäischen Union (EU) verwendeten Pestizide die Zulassungen eigentlich abgelaufen seien. Laut foodwatch verlängert die EU die Genehmigungen jedoch regelmäßig – teilweise seit Jahren und ohne vorgeschriebene Sicherheitsprüfung durch die zuständige Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). In den vergangenen zehn Jahren seien Tausende von Spritzmittelzulassungen verlängert worden, weil die Behörden die Risikoprüfung und den Genehmigungsprozess systematisch verzögert hätten, kritisiert Foodwatch. „Glyphosat ist nur die Spitze des Eisbergs.“ Auch Aurelia-Anwalt Achim Willand sieht in den fast routinemäßigen Verlängerungen ein systematisches Problem. So werde den Herstellern auch nach Ablauf der vorgesehenen Fristen immer wieder Gelegenheit gegeben, Datenlücken zu füllen. Dies führe dazu, dass Pestizidwirkstoffe auf dem Markt seien, die nicht über eine Sicherheitsprüfung auf dem aktuellen Stand verfügten. Auch im Fall von Glyphosat rechnet er nicht damit, dass die Prüfungen wirklich bis Ende kommenden Jahres abgeschlossen sein werden. Die EFSA plant, ihre Schlussfolgerungen im Sommer 2023 vorzulegen. Dann wären die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten wieder am Zug. Letztere könnten dann mit qualifizierter Mehrheit entscheiden, Glyphosat für mehrere Jahre neu zuzulassen. Die gültige Genehmigung des Totalherbizids läuft am 15.12.2022 nach fünf Jahren aus. Die einjährige Verlängerung tritt laut EU-Verordnung am 12.12.2022 in Kraft. Schon jetzt zeichnet sich für Deutschland ein schwieriger Konflikt ab: Denn Bundesagrarminister Cem Özdemir will ab 1.1.2024 definitiv verbieten, in Deutschland Glyphosat zu versprühen. Das hat er in der Pflanzenschutz- Anwendungsverordnung bereits festgelegt. Spritzmittel dürfen aber eigentlich ein Jahr länger zugelassen werden als der Wirkstoff. Das wäre im Fall von Glyphosat also bis 15.12.2024. Das von Özdemir per Verordnung geplante Anwendungsverbot sei damit in dieser Form kaum zu halten, meint Willand. Denn EU-Mitgliedstaaten könnten die Verwendung von Produkten nicht pauschal verbieten, die in der EU zugelassen sind. Der geplante ‚Ausstieg‘ aus dem Wirkstoff müsse neu geregelt werden mit einer Begründung, die sich maßgeblich auf die Umweltauswirkungen des Breitband-Herbizides stützt, rät der Jurist. Im zuständigen Agrarministerium brütet man offenbar schon seit Monaten über einer Lösung für das Problem. Denn bereits im September hatte der grüne Agrarminister im Bundestag angekündigt, alle juristischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um das vereinbarte Glyphosatverbot in Deutschland notfalls im Alleingang umzusetzen. Wie das konkret aussehen soll, war bislang aber nicht in Erfahrung zu bringen. Man prüfe noch, hieß es aus dem Ministerium. Der Glyphosatausstieg zum 1.1.2024 habe sich am bisherigen Ende der Wirkstoffgenehmigung auf EU-Ebene orientiert, schrieb eine Sprecherin dem Infodienst Gentechnik auf Anfrage. „Hier ist auch die weitere Entwicklung auf EU-Ebene abzuwarten.“ Deutschland werde sich weiter dafür einsetzen, dass Glyphosat nach Ende der Prüfungen 2023 in Europa nicht erneut zugelassen werde. Die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung muss nach Ansicht der Behörde aber aktuell nicht angepasst werden. Die darin vorgesehenen Einschränkungen für einen Spritzmitteleinsatz seien mit EU-Recht vereinbar, schrieb die Sprecherin. Die Zulassungen glyphosathaltiger Spritzmittel in Deutschland, deren Ende sich an dem ursprünglichen Ende der Glyphosat-Genehmigung am 15.12.2022 orientiert hatte, werden von Amts wegen um ein Jahr verlängert, da das EU-Recht das so vorsehe. Nach der entsprechenden EU-Verordnung können Spritzmittel übergangsweise weiter zugelassen werden, wenn die Behörden die Chemikalien nicht vor Fristablauf abschließend geprüft und bewertet haben. Foodwatch fordert, solche Pestizide vom Markt zu nehmen und bis 2035 auf eine pestizidfreie EU-Landwirtschaft hinzuarbeiten. Dann wäre auch ein Großteil der Gentechnikpflanzen überflüssig, die nämlich gentechnisch meist verändert wurden, um Spritzmittel zu überleben. [vef] Update 8.12.: weitere Äußerungen des BMEL eingefügt.