Seit 2005 gilt in der Schweiz ein Moratorium für den kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. Ende 2025 wird es auslaufen. Mehrere gentechnikkritische Organisationen fordern in einer Petition, dieses Anbauverbot zu verlängern. Es soll auch für Nutzpflanzen gelten, die mit neuen gentechnischen Verfahren wie Crispr/Cas verändert wurden, so die Petenten.
Gestartet hat die Petition der Verein für gentechnikfreie Lebensmittel, den die Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG), BioSuisse, Kleinbauernvereinigung und weitere Organisationen gegründet haben. Sie wenden sich mit der Unterschriftensammlung an das Parlament und die Schweizer Regierung, den Bundesrat. Beide würden von einer Lobbykampagne der Chemie- und Saatgutindustrie unter Druck gesetzt, die das Moratorium gerne aufheben würden, schreibt der Verein. Dabei habe sich das Gentech-Moratorium bewährt und werde von einer großen Mehrheit der Bevölkerung und der Landwirtschaft getragen. In einer Umfrage des Schweizer Bundesamtes für Statistik von 2023 bewerteten 71 Prozent der Befragten Gentechnik in Lebensmitteln als „sehr“ oder „eher gefährlich“.
Bisher hatte das Schweizer Parlament das 2005 erstmals in einer Volksabstimmung beschlossene Moratorium viermal verlängert. Doch mit der letzten Verlängerung beauftragte das Parlament den Bundesrat damit, eine Gesetzesänderung für die erleichterte Zulassung von Pflanzen aus neuen gentechnischen Verfahren (NGT) vorzulegen. Der Entwurf für dieses Gesetz werde im Juni 2024 in die Vernehmlassung gehen, schreibt die SAG. Das entspricht in etwa der deutschen Verbändeanhörung bei einem Gesetzesvorhaben. Im Oktober 2023 hatte der Schweizer Bundesrat Eckpunkte für den Entwurf beschlossen. Darin hieß es: „Das Zulassungsverfahren soll sich grundsätzlich am Vorschlag der EU-Kommission orientieren. In Abweichung zum EU-Entwurf möchte der Bundesrat jedoch stärkere Kontrollmechanismen einbauen.“ Nach der Anhörung im Sommer 2024 will die Regierung dann einen Entwurf erarbeiten, der Mitte 2025 ins eidgenössische Parlament kommen soll. Verlängert das Parlament bis dahin das Moratorium nicht, werde es 2025 auslaufen, heißt es in den Erläuterungen zur Petition.
Bereits im Juni 2023 hatten rund 60 Schweizer Organisationen ein Positionspapier vorgelegt, in dem sie forderten, NGT auch künftig strikt und im Rahmen des bestehenden Gentechnikrechts zu regulieren. Sie können sich dabei auf eine Stellungnahme der Eidgenössischen Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) berufen. Diese hatte ebenfalls im Juni 2023 festgestellt, dass die Gentechnikgesetzgebung nach der Schweizer Verfassung der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung tragen und die genetische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten schützen muss. Dies gelte auch, wenn man von „neuen Züchtungstechnologien“ statt von Gentechnik spreche, schrieb die EKAH. Sie wies darauf hin, dass das Schweizer Gentechnikgesetz (GTG) „der Prototyp eines risikobasierten Gesetzes ist und diese Forderungen nach einer risikobasierten Zulassungsregelung beispielhaft erfüllt“. Es liege folglich nahe, „alle gentechnischen Verfahren im GTG zu regulieren“. Doch auch bei einer ausgelagerten NGT-Regelung müssten aus ethischer Sicht bestimmte Kriterien für ein Zulassungsverfahren zwingend erfüllt sein: „Es sind dies der Schutz vor unzumutbaren Risiken für Mensch und Umwelt, der Schutz der Biodiversität, die Gewährleistung der Wahlfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten (im Sinne eines Abwehrrechts) sowie der Schutz der gentechnikfreien Produktion und eine entsprechende Koexistenzregelung, die diesen Schutz gewährleistet.“ In einer Fußnote findet sich noch ein Hinweis auf die patentrechtlichen Entwicklungen, die ebenfalls beachtet werden sollten.
Mit der jetzt gestarteten Petition geht die Auseinandersetzung um die Regelung der neuen Gentechnik in der Schweiz in die nächste Runde. Doch der Verein für gentechnikfreie Lebensmittel denkt schon weiter: „Um die gentechnikfreie Landwirtschaft zu schützen und Risiken für Mensch und Umwelt abzuwenden, planen wir eine eidgenössische Volksinitiative“, schreibt er. Die Lancierung sei für den Herbst 2024 geplant. Das wäre dann der erste Schritt für eine neue Volksabstimmung. [lf]