Bei dem für den Feldversuch freigebenen Weizen handelt es sich um Winterweizen der Schweizer Sorte Arina, der durch ein neues patentiertes Mutagenesverfahren namens TE-Genesis verändert wurde. Es mobilisiert mit Hilfe von zwei Chemikalien in der Pflanze vorkommende sogenannte springende Gene (Transposons) und soll dadurch die Anpassung der Pflanze an Stressbedingungen beschleunigen. Wissenschaftler:innen der Eidgenössischen Forschungsanstalt Agroscope wollen den von ihnen entwickelten ArinaTE-Weizen für fünf Jahre auf dem von Agroscope betriebenen Hochsicherheitsgelände, Protected Site genannt, anbauen. Sie wollen dabei die ArinaTE-Pflanzen selektieren, die gegen Pilzerkrankungen resistent sind. Diese Pflanzen sollen untersucht, die besten in den Folgejahren vermehrt und mit weiteren Weizenlinien gekreuzt werden. Dafür steht den Forschenden laut Genehmigungsbescheid eine Fläche von 3,4 Hektar zur Verfügung, in die eine 2,6 Meter breite Pufferzone mit gentechnikfreiem Weizen eingerechnet ist. Für den Anbau hält das Schweizer Bundesamt für Umwelt einen Abstand von 50 Metern zu anderen Weizenfeldern sowie die üblichen Vorkehrungen gegen Wildtiere für ausreichend und wies damit Forderungen von Versuchskritiker:innen nach strengeren Auflagen zurück.

Dies sei der erste Freisetzungsversuch in der Schweiz, bei dem es nicht um Grundlagenforschung, sondern um Sortenentwicklung gehe, kritisierte die Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG) und sieht einen Interessenkonflikt. Erfunden haben das TE-Verfahren die Wissenschaftler Etienne Bucher und Michael Thieme. Die Patentrechte hält die Universität Basel, hat deren Vermarktung jedoch exklusiv an die von Bucher gegründete Firma EpiBreed abgegeben. Bucher leitet gleichzeitig als Angestellter von Agroscope den Feldversuch. Fließen also über die Nutzung der Protected Site öffentliche Gelder in die Entwicklung von Weizensorten, von denen der Versuchsleiter später mit seiner privaten Firma profitieren könnte, fragt sich die SAG. Der Bundesrat erklärte in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage, dass das zu testende Pflanzenmaterial Agroscope gehöre und eine Kommerzialisierung dieser Weizenlinien nicht vorgesehen und in der Schweiz auch nicht erlaubt sei. Denn bei diesem Weizen handle es sich um einen gentechnisch veränderten Organismus, der unter das Moratorium falle.

Doch noch ist offen, wie lange das Schweizer Moratorium für den kommerziellen Anbau von Gentech-Pflanzen noch gilt und ob künftig auch Pflanzen darunterfallen, die mit neuen gentechnischen Verfahren (NGT) hergestellt wurden. Als das Parlament das Moratorium 2020 zum letzten Mal bis Ende 2025 verlängerte, beauftragte es die Regierung, den Bundesrat, damit, eine Gesetzesänderung für die erleichterte Zulassung von NGT-Pflanzen vorzulegen. Geplant war dies für Sommer 2024, doch der Bundesrat konnte diesen Termin nicht halten und will sich nun im Frühjahr 2025 mit dem Entwurf beschäftigen und ihn dann öffentlich zur Diskussion stellen. Vernehmlassung heißt das in der Schweiz. Die endgültige Fassung will die Regierung dann im ersten Quartal 2026 ins Parlament bringen. Dieses müsste allerdings schon bis Ende 2025 über eine Verlängerung des Moratoriums entscheiden und darüber, ob es auch für NGT-Pflanzen gelten soll.

Um die beiden Diskussionen parallel führen zu können und dafür genug Zeit zu haben, schlug die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates (WBK-N), der ersten Kammer des Parlaments, vor, das Moratoriums bis Ende 2027 zu verlängern. Ihre Schwesterkommission im Ständerat, der zweiten Kammer, stimmte der Verlängerung zu. Als nächstes wird sich der Nationalrat mit diesem Vorschlag befassen. Angesichts der einhelligen Zustimmung in den beiden Kommissionen ist es wahrscheinlich, dass das Parlament der Verlängerung des Moratoriums zustimmen wird.

Die Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG) begrüßte die Entwicklung, warnte aber auch davor, sich aufgrund der Verlängerung zurückzulehnen und sich in Sicherheit zu wiegen. „Die Lobbyarbeit der Industrie läuft im Hintergrund mit Vollgas weiter“, schrieb die SAG. Sie gehört auch zu den Unterstützerinnen der Volksinitiative „Für gentechnikfreie Lebensmittel (Lebensmittelschutz-Initiative)“. Diese fordert strikte Regeln für den Einsatz von NGT in der Schweizer Landwirtschaft und will erreichen, dass das Volk darüber entscheidet. Durch die Verlängerung des Moratoriums sei es möglich, dass das Parlament sich nicht nur mit dem NGT-Gesetz des Bundesrates befasse, sondern auch die Volksinitiative ohne Druck behandeln könne, lobte die SAG. Die Initiative braucht 100.000 Unterschriften, die sie spätestens bis 3. März 2026 eingereicht haben muss. Schafft sie das,dann könnte 2026 zuerst das Parlament seine Position zum künftigen Umgang mit NGT in der Schweiz festlegen. Anschließend würde das Volk darüber entscheiden, ob es eine strikte Regelung von NGT will oder eine an die Vorschläge der EU-Kommisison angelehnte Lösung, für die sich der Bundesrat ausspricht. [lf]