Die Überwachungsbehörden der deutschen Bundesländer haben erstmals seit mehr als zehn Jahren in keiner der untersuchten Saatgutpartien gentechnisch veränderte Organismen nachgewiesen. Greenpeace, Bioland und die IG Saatgut forderten die Länder auf, ihre Saatgutkontrollen zu verstärken und Saatgut auch auf Verunreinigungen mit neuer Gentechnik zu überprüfen. Die Bundesregierung solle sich außerdem dafür einsetzen, dass neue Gentechnik-Verfahren wie Crispr/Cas unter dem EU-Gentechnikrecht reguliert bleiben.
776 Proben hatten die Länderbehörden von 01.10.2021 bis 30.09.2022 analysiert. Davon entfielen 471 auf Mais und 190 auf Winterraps. Daneben analysierten die Länder Sojabohnen (46 Proben), Zuckerrüben (21), Leinsaat (16 Proben), Zuckermais (15) und Sommerraps (10) sowie einzelne Proben von Luzerne, Rote Rüben, Senf, Tomaten und Zucchini. Die Länderbehörden ziehen für ihr Monitoring Proben von inländisch erzeugtem sowie von importiertem Saatgut. „Mindestens zehn Prozent der in Deutschland zur Anerkennung vorgestellten Saatgutpartien sollen untersucht werden“, erläuterte dazu das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.
Leinsaat und Zuckermais werden nach wie vor als Pilotprojekt untersucht. Der Anlass dafür waren Funde von verunreinigtem Zuckermaissaatgut durch ungarische Behörden in 2020 sowie Funde von nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Leinsamen in Ernteproben, ebenfalls 2020. Obwohl die Verunreinigungen damals in Baden-Württemberg auftauchten, beteiligt sich das Bundesland nicht an dem Leinsaat-Projekt.
Greenpeace, Bioland und die Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit (IG Saatgut) kommentierten die Ergebnisse des Monitorings als „erfreuliche Entwicklung“. Sie forderten die Bundesländer auf, ihre Saatgutkontrollen weiter zu verstärken und Saatgut auch auf Verunreinigungen mit neuer Gentechnik zu überprüfen. „Saatgutkontrollen auf Verunreinigungen mit Gentechnik funktionieren nur, wenn auch nach allen bekannten Gentechnik-Pflanzen gezielt gesucht wird. Hier gibt es Lücken“, sagte Bioland-Präsident Jan Plagge. Das gilt insbesondere für herbizidresistenten Raps der US-Firma Cibus, der in den USA und Kanada angebaut wird. Für ihn existiert ein Nachweisverfahren, das etwa der Verband Lebensmittel Ohne Gentechnik bei seinen Kontrollen einsetzt. „Vorliegende Nachweisverfahren müssen in die nationalen Kontrollen integriert werden“, forderte Plagge deshalb. Zudem seien die Behörden in der Pflicht, „weitere Nachweismethoden für neue Konstrukte zu entwickeln und diese auch anzuwenden“.
Die Bundesregierung müsse sich in Brüssel dafür einsetzen, dass die neue Gentechnik unter dem geltenden Gentechnikrecht reguliert bleibt, sagte Eva Gelinsky von der IG Saatgut. Denn ohne Regulierung „wäre die gentechnische Veränderung von Saatgut nicht mehr kennzeichnungspflichtig“. Dann könnten Verunreinigungen weiträumig um sich greifen und wären nicht mehr kontrollierbar. Neue Gentechnik-Pflanzen dürften nicht ungeprüft und unreguliert auf die europäischen Äcker und Teller kommen, sagte Christiane Huxdorff, Landwirtschaftsexpertin von Greenpeace. „Die Wahlfreiheit muss an jeder Stelle gewährleistet sein, egal ob bei Bäuer:innen oder Verbraucher:innen!“ [lf]