Saatgut
GVO-Beimischungen im Saatgut – Das Schwellenwert-Dilemma
Darf konventionelles Saatgut Spuren gentechnisch veränderter Organismen enthalten? Seit Jahren wird darüber ein erbitterter Streit geführt. Für die einen es absolut reines Saatgut die Grundvoraussetzung, um auch in Zukunft konsequent „gentechnik-frei“ produzieren und konsumieren zu können. Andere verweisen auf die Natur als offenes System, in dem es keine 100%-Reinheit geben könne. Erneut konnte die EU-Kommission sich nicht auf eine Entscheidung über GVO-Schwellenwerte für Saatgut festlegen.
Auf Dauer sollen landwirtschaftliche Anbausysteme mit und ohne Gentechnik nebeneinander bestehen. Die Sicherung dieser Koexistenz ist Voraussetzung dafür, dass Verbraucher Produkte wählen können, die ohne bewusste Anwendung der Gentechnik erzeugt wurden. Das Problem: Wenn die Gentechnik in der Landwirtschaft genutzt wird, kann es unter natürlichen Bedingungen keine absolut „gentechnik-freie Welt“ geben. Zwar ist es möglich, durch geeignete Maßnahmen unkontrollierte Vermischungen zu vermeiden – minimale GVO-Spuren in konventionellen Produkten sind jedoch nicht vollständig auszuschließen.
Für Saatgut sind bisher keine GVO-Schwellenwerte festgelegt. Ökologische Saatgutzüchter beklagen mangelnde Rechtssicherheit; Behörden reagierten bisher widersprüchlich, wenn in Saatgut GVO-Spuren gemessen wurden. Es ist daher längst überfällig, verbindliche EU-weite Schwellenwerte für Saatgut einzuführen.
Es prallen zwei grundsätzlich verschiedene Sichtweisen aufeinander: Vor allem die EU-Kommission und ihre wissenschaftlichen Berater wollen Saatgut-Schwellenwerte so festlegen, dass die damit erzeugten Ernteprodukte im Regelfall die bestehende 0,9%-Schwelle nicht überschreiten.
Für Gentechnik-Kritiker sind zulässige GVO-Beimischungen im Saatgut ein Freibrief, gentechnisch veränderte Pflanzen in die Umwelt freizusetzen. Jeder Schwellenwert bedeutet, dass einzelne gv-Samen im Saatgut vorhanden sein können. Da es dafür keine Deklaration gibt, erfährt der betreffende Landwirt davon nichts. Saatgut steht am Anfang der Kette, daher sollte „gentechnik-freies“ Saatgut tatsächlich frei von GVO-Substanzen sein.
Positionspapier der IG-Saatgut http://www.gentechnikfreie-saat.org/aktuell/saatgut-sichern-schwellenwerte-verhindern.html
Getreide für unser Brot von morgen
Seit 10.000 Jahren ernährt und trägt das Getreide die Menschheit, die Pflanzenzüchtung wird vom Menschen gemacht, aus Wildpflanzen werden in einem langwierigen Prozess Kulturpflanzen domestiziert. Erst seit 100 Jahren sind die Sorten, die heute – auch bei Biobauern – auf den Feldern stehen, züchterisch stark verändert worden. Die professionelle Züchtung führ zu einer immensen Ertragssteigerung, Landsorten wurden verdrängt, und über 75% der Sortenvielfalt ist verloren gegangen! Dass sie in qualitativer Hinsicht oft nicht genügen, merken Landwirte und Konsumenten kaum: Man kennt nichts anderes.
Es gibt aber (wieder) anderes! Im ökologischen Landbau wird mit geringen finanziellen Mitteln effektive Züchtung betrieben. Vorreiter sind biologisch dynamisch wirtschaftende Betriebe wie z.B. die Getreidezüchtung Peter Kunz (GZPK) als Partnerin der Sativa AG, hat bereits für fünf Weizen- und drei Dinkelsorten die offiziellen Zulassungen in Deutschland bzw. in der Schweiz erhalten. Diese Sorten bringen (in den verschiedensten Ländern Europas) hervorragende Brotgetreidequalität! (nähere Informationen: www.peter-kunz.ch).
Plädoyer für standortangepasste regionalverfügbares Saatgut
Weltweit gibt es 5 bis 10 Neuanmeldungen von GV-Sorten pro Jahr, in Europa waren es zwischen 1997 und 2004 sechs zugelassene GV-Sorten. Jene 14, die noch im Antragsverfahren sind, da das Moratorium besteht, werden dazu genommen – in sieben Jahren also 20 GV-Sorten, die in Europa entweder auf dem Markt sind oder auf ihn wollen. Dem gegenüber stehen 52 Anmeldungen aus der Öko-Züchtung (nur D und CH). Wenn wir die Neuanmeldungen als Maßstab für die Innovation nehmen, liegt der Vorteil eindeutig bei der Öko-Züchtung.
In unser aller Interesse sollte eine eigenständige Pflanzenzüchtung mit nachbaufähigen Sorten frei von Gentechnik, Patenten und Monopolen etabliert werden. Dieses Anliegen benötigt politische und zivilgesellschaftliche Unterstützung.
Unternehmen wie Monsanto, Bayer und Syngenta dominieren heute den Saatgutmarkt mit Einheitssorten. Diese lassen sich weltweit vermarkten und versprechen maximalen Gewinn.
Bei der Züchtung orientieren sie sich an den Anforderungen der konventionellen Landwirtschaft, die Schädlinge und Pflanzenkrankheiten mit chemischen Spritzmitteln bekämpft und mangelnde Bodenqualität mit synthetisch hergestellten Düngemitteln ausgleicht.
Mit Hilfe von Gentechnik und anderen in der Öko-Züchtung verbotenen Verfahren werden so maximale Erträge erreicht. Das Saatgut ist jedoch uniform und anfällig für Krankheiten und Schädlinge. Auch die Ernährungsqualität spielt bei der konventionellen Züchtung kaum eine Rolle. Viele dieser Sorten können nicht mehr nachgebaut werden, so dass jedes Jahr neues Saatgut der Unternehmen gekauft werden muss. Außerdem ist die Forschung im Bereich gentechnisch verändertes Saatgut erheblich kostspieliger als bei Öko-Zucht.
Saatgutfonds der Zukunftsstiftung Landwirtschaft: http://www.zukunftsstiftung-landwirtschaft.de/saatgutfonds/