Ein kanadisches Startup will einen gentechnisch veränderten Reis entwickeln, der im Meer angebaut werden kann. Die Meldungen über dessen erste Versuche verschweigen, dass laufend salztolerante Reissorten ganz ohne Gentechnik gezüchtet und auch angebaut werden.
Weil der Meerespiegel steigt und Flächen falsch bewässert werden, nimmt der Salzgehalt in vielen Böden zu. Das vertragen die meisten Nutzpflanzen nicht; Reis ist dabei besonders empfindlich. In der herkömmlichen Züchtung ist Salztoleranz deshalb seit Jahren ein wichtiges Züchtungsziel, damit auf versalzenen Flächen auch weiterhin Nahrungsmittel angebaut werden können.
Die Gentechnik-Lobbyorganisation ISAAA (International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications ) meldete im September, das kanadische Startup-Unternehmen Alora habe mithilfe der Crispr-Technologie salztoleranten Reis hergestellt, der im Meer wachsen könne. Die kurze Meldung und weitere Artikel zeigen, dass der Reisanbau im Meer zwar das erklärte Ziel des kleinen Unternehmens ist, aber noch in weiter Ferne liegt. Über die genauen Veränderungen, die Alora mit Crispr/Cas an den Reispflanzen vorgenommen hat, finden sich in den Artikeln keine Informationen sondern nur die Anmerkung, dass die Technik zum Patent angemeldet sei. Ein Artikel auf der Plattform Agfundernews.com berichtet von einem Anbauversuch an der Universität Guelph in Kanada, bei dem der Alora-Reis in Wasser mit acht Gramm Salz pro Liter wuchs. Meerwasser enthält die vierfache Menge an Salz, jedoch seien die acht Gramm je Liter mehr als alle anderen Nutzpflanzen bisher geschafft hätten, zitiert der Artikel die Alora-Gründer.
Die EU-Datenbanke SAGE listet eine handvoll wissenschaftlicher Arbeiten auf, die sich mit der Züchtung gentechnisch veränderter und salztoleranter Reissorten befassen, vor allem aus China und Indien. Meist handelt es sich dabei um Konzeptstudien, in denen ein Gen verändert wurde. Doch es handelt sich bei Salztoleranz um komplexe Eigenschaften, an denen mehrere Gene beteiligt sind, so dass die Veränderung eines einzelnen Gens oft nicht zum Erfolg führt.
Ein großes, bisher noch gentechnikfreies Züchtungsprogramm für salztoleranten Reis läuft seit Jahren am Qingdao Saline-Alkali Tolerant Rice Research and Development Centre in China. Im Oktober 2022 berichtete die chinesische Global Times von einer Rekordernte von 11,5 Tonnen Reis je Hektar. Die konventionell gezüchteten Hybridsorten wuchsen dabei in einem salzigen und alkalischen Boden und wurden mit Wasser gegossen, das vier Gramm Salz pro Liter enthielt. Die South China Morning Post berichtete, dass der salztolerante Reis in acht bis zehn Jahren auf sieben Millionen Hektar wachsen könnte. Bei der weiteren Entwicklung wollen die chinesischen Forschenden auch mit gentechnisch veränderten Reislinien arbeiten, schrieben sie in einem Artikel in der Fachzeitschrift Plant Breeding. Darin erwähnten sie auch, dass die ersten salztoleranten Reissorten bereits vor 70 Jahren gezüchtet wurden, beschreiben die bisher gentechnikfreie Züchtungsarbeit in verschiedenen Ländern und nennen die daraus entstandenen Sorten.
So hat etwa Indien systematisch salztolerante Linien in seine beliebtesten Reissorten eingekreuzt und so 13 salztolerante Sorten konventionell gezüchtet. Sie würden inzwischen jedes Jahr auf 1,2 Millionene Hektar Fläche angebaut, heißt es in einer Übersichtsarbeit. Auf den Philippinen züchten Kleinbäuer:innen und Wissenschaftler:innen in der Organisation Masipag gemeinsam Reissorten, die an die jeweiligen lokalen Verhältnise angepasst sind. Im Rahmen dieser Arbeit entstanden in den letzten Jahren 20 salztolerante Sorten. Von 2016 bis 2019 züchtete das EU-finanzierte Neurice-Projekt salztolerante Reissorten für die kommerzielle Nutzung in Europa. Das ostafrikanische Tansania entwickelte 2016 eine salztolerante Reissorte. Basis für deren Züchtung waren Reissorten, die in Japan die Überschwemmungen durch den Tsunami 2011 gut überstanden hatten.
Während die Landwirt:innen bei Masipag ganz traditionell züchten, nutzen die Forschenden etwa in China, Indien oder der Europäischen Union biotechnologische Methoden wie Markergene, um die Züchtung zu beschleunigen. Das EU-Projekt Neurice schaffte es damit in drei Jahren, anbauwürdige Sorten zu entwickeln, die ihre Salztoleranz von der ersten salztoleranten Reisorte Pokkali geerbt haben, die 1939 in Sri Lanka gezüchtet worden war. [lf]