Eine Studie des Londoner King’s College hat gezeigt, was Glyphosat alleine sowie glyphosthaltige Herbizide in der Leber von Ratten bewirken. Dabei beschrieben die Wissenschaftler zwei Wege, auf denen Glyphosat Krebs erzeugen kann: indem es in den Zellen oxidativen Stress erzeugt und Botenstoffe beeinflusst. Nachweisen ließen sich die Wirkungen bei Konzentrationen, die bisher in Tierversuchen keine Effekte hervorgerufen hatten.
Die Molekulargenetiker um Michael Antoniou und Robin Mesnage hatten den Ratten über 90 Tage Glyphosat pur oder als ein in der EU zugelassenes Roundup-Herbizid (MON 52276) verabreicht, in Konzentrationen von 0, 0,5, 50 und 175 Milligramm je Kilogramm Körpergewicht (mg/kg KG). Die 50 mg gelten bei den Zulassungsbehörden als die Dosis, bei der im Tierversuch keine negativen Effekte mehr beobachtet wurden – bisher. Die Londoner Wissenschaftler wiesen bei mehreren Ratten bei dieser Dosis Leberschäden und eine Entwicklung hin zur Fettleber nach, sowohl für Glyphosat als auch für das fertige Herbizid. Fettleber gilt als Hauptrisikofaktor für einen späteren Leberkrebs.
Auf der Suche danach, wie diese Schädigungen entstanden sein könnten, fanden die Wissenschaftler zwei Wirkmechanismen. In Zellversuchen konnten sie zeigen, dass sowohl Glyphosat als auch das fertige Herbizid in den Zellen oxidativen Stress auslösen, also die Menge freier Radikale erhöhen und damit verbunden auch die Zahl der Erbgutschäden in den Zellen. Diese können zwar repariert werden, mit der Zahl der Reparaturen steigt allerdings das Risiko, dass sich ein Fehler einschleicht und die Zelle mutiert – und daraus ein Tumor entstehen kann. Diese DNA-Schäden ließen sich auch in den Lebern der Versuchstiere nachweisen, nicht allerdings in deren Nieren.
Die Forscher konnten auch zeigen, dass Glyphosat in der 50 mg-Dosis in der Leber die Arbeit von 20 Genen beeinflusste. Das fertige Herbizid wirkte sich sogar auf fast 100 Gene aus, die dadurch herunter- oder hochgeregelt wurden. Diese Effekte beruhen nach den Ergebnissen der Studie darauf, dass Glyphosat die Menge bestimmter Botenstoffe (miRNA) beeinflusst, die wiederum die Funktion der Gene steuern. „Die miRNAs, deren Spiegel in Leberproben durch Glyphosat und Roundup MON 52276 verändert wurden, sind nachweislich an der Entstehung von Krebs beteiligt“, schreiben die Wissenschaftler. „Die neuen Daten, die Veränderungen in den miRNA-Mustern zeigen, sind ein weiterer Beweis für das krebserregende Potenzial von Glyphosat und Roundup“, erläuterte Michael Antoniou auf GMWatch.org. Zudem hätten die Ergebnisse gezeigt, dass nicht nur Roundup, sondern auch Glyphosat alleine ein krebserregendes Potential habe. Nach Ansicht von GMWatch zeige die Studie auch, dass die Regulierungsbehörden der EU und der USA nur deshalb zu dem Schluss kommen konnten, Glyphosat habe bei der untersuchten Dosis von 50 mg/kg Körpergewicht keine beobachtbare schädliche Wirkung, weil die Tests, die sie von der Industrie verlangen, nicht empfindlich genug seien. [lf]Robin Mesnage et.al.: Comparative Toxicogenomics of Glyphosate and Roundup Herbicides by Mammalian Stem Cell-Based Genotoxicity Assays and Molecular Profiling in Sprague-Dawley Rats (Toxicological Sciences, 29.11.2021)Glyphosate and Roundup: All roads lead to cancerInfodienst: Neue Studie: Glyphosat schädigt Spermien (17.01.2022)