Die Agrarminister der Europäischen Union seien sich einig, dass die EU so schnell wie möglich auf die Entwicklung moderner Trends reagieren müsse und Innovation nicht behindern dürfe. So formulierte die tschechische Ratspräsidentschaft ein Ergebnis eines informellen Treffens Mitte September in Prag. Das europäische Gentechnikrecht müsse geändert werden, um den Einsatz neuer gentechnischer Verfahren zur Pflanzenzüchtung zu erleichtern. Doch wie der Infodienst Gentechnik erfuhr, sahen das nicht alle Minister so.
Aus gut informierten Kreisen verlautete, dass 18 Ministerinnen und Minister bei dem Treffen mehr oder weniger deutlich die Vorteile der neuen gentechnischen Verfahren (NGT) betonten und dafür plädierten, die rechtlichen Regeln zu lockern. Darunter waren mit Frankreich, Italien und Spanien drei der größten EU-Staaten. Hinzu kamen die baltischen und skandinavischen Länder, die Niederlande und Belgien, Tschechien, Irland, Kroatien, Rumänien, Portugal und Malta. Dagegen sprachen sich vier Staaten aus: Griechenland, Slowenien, Zypern und Ungarn. Der Rest hielt sich bedeckt. Deutschlands Landwirtschaftsminister Cem Özdemir sagte dem Vernehmen nach, NGT hätten Potenzial, könnten kurzfristig aber keinen Beitrag zu Nachhaltigkeit und Ernährungssicherung leisten – vermutlich, weil solche Pflanzen auf dem Markt bislang rar sind. Gewünscht hätten sich Umwelt- und Bioverbände von Özdemir vermutlich eine so klare Ansage, wie sie laut der Quelle des Informationsdienstes Gentechnik vom ungarischen Minister kam: Auch NGT seien gentechnisch veränderte Organismen. An ihrer Stelle sollte man eine nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft fördern und der Bevölkerung sowie ihrer Gesundheit höchste Aufmerksamkeit schenken.
Um die Minister auf das Thema einzustimmen, hatte der tschechische Agrarkollege Zdenek Nekula zwei tschechische Wissenschaftler eingeladen, die die Vorteile der neuen Gentechnik priesen: Wie es in der Presseinformation heißt, könne sie helfen, den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln zu reduzieren, oder bei der Züchtung neuer Sorten, die resistenter gegen extreme Wetterschwankungen und neue Pflanzenschädlinge und Krankheiten sind. Zu Wort kam auch Christiane Lambert, Präsidentin des europäischen Bauernverbandes Copa Cogema. Dem Vernehmen nach forderte sie schnelle Lösungen für neue Gentechniken, und drängte darauf, „risikoarme Substanzen“ schnell neu zuzulassen. Ein gentechnikkritischer Verband wurde nicht gehört.
EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski plädierte nach Informationen dieses Portals dafür, das Potenzial der neuen Gentechnik zu nutzen, um die Entwicklung von Pflanzensorten zu beschleunigen, die der Gesundheit, der Umwelt und der Lebensmittelsicherheit zugutekommen können. Gleichzeitig müsse aber alles auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und soliden Analysen beruhen und im Einklang mit der öffentlichen Gesundheit, der Umwelt und den wirtschaftlichen Interessen der Landwirte erfolgen. Im zweiten Quartal 2023 will die EU-Kommission einen Vorschlag vorlegen, wie neue gentechnische Züchtungsverfahren künftig geregelt werden sollen. Wie das bayerische landwirtschaftliche Wochenblatt berichtete, sei es Wojciechowski wichtig, dass der Vorschlag ausgewogen sei. Beispielsweise müsse der Ökolandbau ausreichend vor einer Verunreinigung mit Pflanzen geschützt werden, die mittels neuer gentechnischer Verfahren gewonnen worden seien. Denn im Fall einer Verunreinigung dürften Biobauern ihre Produkte nicht mehr mit Biosiegel verkaufen. [lf/vef]