Ein weiterer Versuch der belgischen Ratspräsidentschaft, einen mehrheitsfähigen Kompromiss zur künftigen Regulierung von Pflanzen aus Neuer Gentechnik (NGT) zu erreichen, ist gescheitert. Sie wollte mit einer strengen Formulierung zur Patentierbarkeit von NGT-Pflanzen widerständige Mitgliedstaaten auf ihre Seite ziehen. Die Belgier wollen ihre Bemühungen noch bis Ende Juni fortsetzen, doch die Chancen werden als gering eingeschätzt.

 

Der Grund für ihre Aktivitäten ist offensichtlich: Zum 1. Juli geht die Ratspräsidentschaft über auf die NGT-kritischen Ungarn, die voraussichtlich wenig Energie in eine Kompromisssuche stecken werden. Im ersten Halbjahr 2025 wird Polen dann den Rat führen, das bisher ebenfalls an seiner Kritik am NGT-Verordnungsvorschlag der EU-Kommission festhält. Polen hatte seine Ablehnung unter anderem mit den negativen Folgen von Patenten auf NGT-Pflanzen begründet. Es verlangte eine Formulierung, die sicherstellen soll, dass NGT-Pflanzen der Kategorie 1 nicht patentierbar sind. In diese Kategorie fallen die meisten NGT-Pflanzen. Sie dürften nach dem Vorschlag der EU-Kommission ohne Risikoprüfung und Kennzeichnung vermarktet werden.

 

Eine solche Formulierung hatten die Belgier den Mitgliedstaaten vergangene Woche auf Arbeitsgruppenebene vorgelegt. Sie ergänzten im bisherigen Kompromissvorschlag die Definition von NGT 1-Pflanzen. Demnach dürften NGT 1-Pflanzen „nicht durch ein oder mehrere Patente oder veröffentlichte Patentanmeldungen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union geschützt“ sein. Oder die Inhaber solcher Patente oder Patentanmeldungen müssten sich „verpflichten, ihre Rechte an der NGT-Pflanze in der Europäischen Union nicht auszuüben, solange sie als NGT-Pflanze der Kategorie 1 deklariert ist“. Entsprechende Erklärungen sollten die Hersteller der NGT-Pflanzen bei deren Anmeldung für die Kategorie 1 abgeben. Die EU-Kommission hätte bei Verstößen die Anerkennung als NGT 1-Pflanze widerrufen können.

 

Doch gelang es den Belgiern damit nicht, die NGT-kritischen Mitgliedstaaten zu überzeugen. Es seien „Fragen nach der rechtlichen Grundlage für eine Verknüpfung von Zulassungsprüfung und Patenten auf Saatgut“ gestellt worden, berichtete Testbiotech mit Verweis auf „Angaben aus verschiedenen Quellen“. Auch hätten Mitgliedstaaten Themen wie den Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft und die Grundlagen der Risikobewertung angesprochen, während Belgien die Diskussion auf Patentfragen beschränken wollte. Der Fachdienst Agra Facts schrieb, es seien auch Koexistenz, Rückverfolgbarkeit und eine Kennzeichnung über alle Handelsstufen hinweg thematisiert worden. Bei all diesen Themen jenseits der Patentierbarkeit haben die Belgier bisher keine Kompromissvorschläge vorgelegt. Deshalb halten es Beobachter für unwahrscheinlich, dass es der belgischen Ratspräsidentschaft gelingen könnte, im Juni noch Fortschritte zu erzielen.

Versuchen will sie es: „Wir sind noch nicht am Ziel, aber wir geben nicht auf und arbeiten weiter, denn unsere Präsidentschaft dauert noch bis zum 30. Juni“, hieß es aus dem Umfeld der belgischen Ratspräsidentschaft gegenüber Euractiv. Geplant seien bilaterale Kontakte und Konsultation der Delegationen zu den noch offenen Punkten, sagte eine EU-Quelle. Der Branchendienst Agra Facts erwartet davon keine Ergebnisse: „Die Aussichten für eine Einigung schwinden.“ Das sehen wohl auch die EU- Mitgliedstaaten so, die die Regeln für NGT-Pflanzen lockern wollen. Mehrere von ihnen nahmen das gestrige Treffen der EU-Landwirtschaftsminister zum Anlass, um unter dem Tagesordnungspunkt Sonstiges auf einen raschen Abschluss des Vorgangs zu drängen. Dänemark hatte, unterstützt von zahlreichen Staaten, einen generellen Austausch zu Regelungen im Bereich Biotechnologie beantragt.

 

Die Belgier werden den Ungarn zum Amtsantritt am 1. Juli also voraussichtlich nur einen Fortschrittsbericht überreichen können, der den Stand der Diskussion wiedergeben soll. Dabei wird sich zeigen, ob die belgische Ratspräsidentschaft weiterhin so tut, als sei die Patentierbarkeit von NGT-Pflanzen das einzige Problem des Kommissionsentwurfs, oder ob sie die ganze Bandbreite der ungelösten Themen ansprechen wird. Testbiotech hofft, „dass jetzt noch einmal ausführlicher über den Inhalt des Vorschlags der EU-Kommission diskutiert wird“. Die Organisation hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu dem Thema angeschrieben, und zwar ausdrücklich „als Spitzenkandidatin Ihrer Partei für die anstehende Europawahl“ mit der CDU-Bundesgeschäftsstelle in Berlin als Adresse. Die Antwort kam jedoch weder von der CDU, für die von der Leyen kandidiert, noch von deren Wahlkampfteam, sondern von Klaus Berend, einem hochrangigen Kommissionsbeamten. Der sei damit zum Wahlkampfhelfer geworden, merkte Testbiotech an. [lf]