Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) werden voraussichtlich am Mittwoch in Brüssel darüber abstimmen, ob das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat über den 15.12.2017 hinaus zugelassen bleiben soll. Ein Sprecher hielt es nicht für ausgeschlossen, dass die EU-Kommission ihren Vorschlag, die Zulassung für zehn Jahre zu verlängern, noch kurzfristig verkürzt. Wie aus gut informierten Kreisen verlautete, wird aktuell an einem Kompromiss gearbeitet, der auf weitere fünf Jahre Glyphosat hinauslaufen könnte.
Der zuständige EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis werde die Kommission bei ihrer morgigen Sitzung über den aktuellen Stand der Verhandlungen informieren, sagte der Sprecher heute beim Pressebriefing in Brüssel. Da das Bundesumweltministerium ebenso wie Italien, Frankreich und Österreich bei ihrem Nein zum Zehn-Jahres-Vorschlag der EU-Kommission bleiben, würde es am Mittwoch im zuständigen Ausschuss wohl keine qualifizierte Mehrheit dafür geben. In diesem Fall müsste sich die nächste Instanz, der Berufungsausschuss, mit der Frage befassen.
Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen, dass für eine kürzere Laufzeit der Zulassung, möglicherweise verbunden mit einem Ausstiegsplan, eine Mehrheit gefunden werden könnte. So hat der Informationsdienst Euractiv aus einer regierungsnahen Quelle vernommen, dass die italienische Regierung sich eine fünfjährige Verlängerung vorstellen kann. Italiens Landwirtschaftsminister Maurizio Martina hatte sich bisher strikt dagegen ausgesprochen, Glyphosat über das Ende der Zulassung am 15.12.2017 hinaus weiter zu versprühen.
Auch in Frankreich wird nach einem aktuellen Bericht des Donaukurier über eine befristete Verlängerung nachgedacht. Der Zeitraum divergiert allerdings zwischen Umweltminister (drei bis fünf Jahre) und Agrarminister (fünf bis sieben Jahre). Das Bundesumweltministerium hatte gegenüber dem Infodienst deutlich gemacht, dass ein Kompromiss nur unter strengen artenschutzrechtlichen Auflagen denkbar sei. Anderenfalls muss Deutschland sich enthalten. Angesichts laufender Koalitionsverhandlungen fordern die Grünen, keine Fakten zu schaffen. Es ist rechnerisch allerding auch ohne Deutschland eine qualifizierte Mehrheit im Ausschuss möglich.
Wie berichtet wird bereits am Dienstag das Europäische Parlament über eine Vorlage des Umweltausschusses abstimmen, der Glyphosat ab 2020 verbieten will. Eine solche Entscheidung hätte aber keine bindende Wirkung, sie kann nur den politischen Druck erhöhen. Zum gleichen Zweck hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace heute eine Petition mit 1,3 Millionen Unterschriften gegen Glyphosat in Brüssel eingereicht.
Wie der Naturschutzbund Deutschland (NABU) heute mitteilte, ist die Wirtschaft der Politik bereits einen Schritt voraus: Die großen Baumärkte bieten nach Angaben des Verbandes mittlerweile kein Glyphosat mehr an. In einer repräsentativen Umfrage, die der NABU beim Meinungsforschungsinstitut yougov in Auftrag gegeben hatte, sprachen sich 59 Prozent der Befragten dafür aus, die Zulassung von Glyphosat nicht mehr zu verlängern.
Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) fordert ein Verbot des „überflüssigen“ Unkrautvernichters. Sie schlägt eine Übergangsfrist von zwei Jahren vor, um Bauern und Bäuerinnen die Möglichkeit zu geben, sich auf die veränderte Lage einzustellen. Die AbL warnt davor, anstelle von Glyphosat giftigere Stoffe zuzulassen und einzusetzen. Die EU-Risikobewertung von Pestiziden müsse grundlegend reformiert werden. [vef]European Commission: Midday press briefing of 23/10/2017Donaukurier: Mehr als 1,3 Millionen Unterzeichner von Petition gegen Glyphosat (23.10.2017)EURACTIV.de: Ändert Italiens Regierung die Haltung zu Glyphosat? (23.10.2017)NABU: Weitere Händler listen Glyphosat aus (23.10.2017)AbL e.V.: Bauern gegen Glyphosat (23.10.2017)YouTube: A herbicide-free future. Considering solutions across Europe. (18.10.2017)Infodienst - EU-Abgeordnete: Glyphosat ab 2020 verbieten (19.10.2017)