Das Siechtum hat ein Ende: Nachdem AquaBounty bereits Fischzuchtanlagen in den USA verkauft hatte, schloss nun der letzte Betrieb des Unternehmens in Kanada die Tore. Dort waren die Elterntiere für die untergebracht, die die Lachs-Eier für die Aufzucht produzierten. „Wir arbeiten seit über einem Jahr daran, Kapital zu beschaffen“, teilte das Unternehmen mit. „Leider haben diese Bemühungen nicht genug Geld eingebracht, um unsere Betriebsanlagen zu erhalten. Wir haben daher keine andere Wahl, als unsere verbleibenden landwirtschaftlichen Betriebe zu schließen und unser Personal zu entlassen“. Finanzvorstand und Aufsichtsrat werden das Unternehmen zusammen mit den betroffenen Banken abwickeln, die anderen Vorstandsmitglieder wurden gefeuert oder gingen freiwillig. Der Finanzbericht für die ersten neun Monate 2024 weist Verbindlichkeiten von 17 Millionen US-Dollar aus. Den laufenden Kosten von rund 15 Millionen Dollar standen Einnahmen von 700.000 Dollar gegenüber. Die Aktie des Unternehmens ist noch 60 US-Cent wert. Anfang 2021 kostete eine Aktie noch 200 US-Dollar.
Bereits Anfang der 90er Jahre begannen kanadische Wissenschaftler:innen damit, einen Lachs zu entwickeln, der schneller wachsen sollte als natürliche Arten. Dazu fügten sie das Wachstumshormon einer anderen Lachsart in das Erbgut von Zuchtlachsen ein sowie das Regulationsgen einer anderen Fischart. Es sollte dafür sorgen , dass die Tiere das ganze Jahr über wachsen und nicht nur in der warmen Jahreszeit. Bereits 1995 beantragte das Unternehmen AquaBounty bei der US-Lebensmittelbehörde FDA, den Gentech-Lachs als Lebensmittel zuzulassen. Erst 20 Jahre später erteilte die FDA schließlich die Zulassung, ein Jahr später folgte die kanadische Lebensmittelbehörde. In der Zwischenzeit hatte sich das Unternehmen aufgrund massiver Proteste von den Plänen verabschiedet, den Gentech-Lachs in Käfigen im Meer zu produzieren. Statt dessen sollte er nun in geschlossenen Zuchtanlagen an Land gemästet werden. Aquabounty kaufte 2017 eine Zuchtanlage im US-Staat Indiana und begann 2023 mit dem Bau einer Anlage im US-Staat Ohio. Dort sollten jährlich 10.000 Tonnen Gentech-Lachs produziert werden. Doch die Anlage wurde nie fertig und der in Indiana produzierte Lachs fand kaum Abnehmer. Weil das Geld ausging, stoppte das Unternehmen den Bau in Ohio und verkaufte im Juli 2024 seine Anlage in Indiana und anschließend noch eine alte Anlage in Kanada. Nun schloss es auch die Eierherstellung und beendete damit die Produktion. Damit reiht sich AquaBounty in eine Reihe gescheiteter Gentech-Unternehmen ein, deren Produkte keinen Markt fanden.
Als nächstes könnte das Unternehmen Cibus folgen, das verschiedene Getreidearten gentechnisch bearbeitet. Es hat in den ersten neun Monaten 2024 drei Millionen US-Dollar eingenommen und im laufenden Betrieb 62 Millionen Dollar ausgegeben. Hinzu kamen einmalige Wertminderungen von 181 Millionen Dollar. Laut Quartalsbericht verfügt das Unternehmen noch über 28,8 Millionen Dollar an flüssigen Mitteln, die gerade ausreichen, um den Geschäftsbetrieb bis Ende März 2025 zu finanzieren. Der Vorstand schreibt, er prüfe weiterhin eine ganze Reihe von strategischen Alternativen, um den Wert der Aktie zu steigern. Dieser dümpelt seit Monaten bei etwa vier Dollar je Aktie, die Anfang 2021 noch mehr als 500 Dollar wert war.
Zurück zum Gentech-Lachs: Für die deutschen Verbraucher:innen bestand nur ein theoretisches Risiko, AquaBounty-Lachs auf den Teller zu bekommen. Die Produkte mussten in Kanada nicht gekennzeichnet werden und hätten von dort auch in die EU importiert werden können. Doch der größte Teil der Zuchtlachse auf deutschen Tellern kommt aus Norwegen. Dort dürfen die Tiere mit einem Öl aus gentechnisch verändertem Raps gefüttert werden. Es enthält große Mengen der in Fischen vorkommenden Omega-3-Fettsäure DHA. Dieser mit alter Gentechnik hergestellten Rapslinie NS-B50027-4 wurden Gene von Hefen und Mikroalgen hinzugefügt. Zudem ist sie resistent gegen das in der EU verbotene Herbizid Glufosinat. Entwickelt wurde sie von der australischen Firma Nuseed Pty Ltd und darf in Australien und den USA angebaut werden. Bei der EU liegt seit 2019 ein Antrag auf die Zulassung für Lebens- und Futtermittel vor. Die EU-Lebensmittelbehörde EFSA hat mehrfach Daten nachgefordert und will ihre Risikobewertung bis März 2026 abschließen. Die norwegischen Kollegen waren schneller und legten im März 2023 ihre Risikobewertung für Aquaterra-Öl als Fischfutter vor. Ergebnis: keine zusätzlichen Risiken im Vergleich zu herkömmlichem Rapsöl. Ende Juni 2023 ließ die norwegische Lebensmittelbehörde das Öl als Fischfutter zu. Vermarktet wird es als nachhaltige, weil pflanzenbasierte Alternative zu dem aus Wildfisch gewonnenen Fischöl, das üblicherweise an Zuchtlachse verfüttert wird. Allerdings weisen Studien darauf hin, dass diese sonst nur in Meeresorganismen vorkommenden Rapsöle Insekten schädigen können. Ob und wie stark die norwegische Lachsindustrie das Gentechnik-Futter einsetzt ist unbekannt. Die Verbraucher:innen erfahren – wie auch bei anderen gv-Futtermitteln – nicht, wie der Lachs gefüttert wurde. [lf]