Zum ersten Mal seit 20 Jahren waren im Mai in Italien gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen unter freiem Himmel gesetzt worden: Crispr-Reis im Feldversuch. Doch Ende Juni rissen Unbekannte einen Großteil der Setzlinge aus und zerstörten sie. Italiens Wissenschaftsgemeinde fordert einen besseren Schutz für solche Anbauversuche, von denen weitere mit Tomaten und Weinreben geplant sind. Die italienische Bauernorganisation ARI kritisierte, dass die behördlichen Auflagen für den Reisversuch nicht eingehalten wurden. Sie verlangt eine öffentliche Debatte über den Einzug der Gentechnik in die italienische Landwirtschaft.
In der Nacht auf den 21. Juni habe „eine Gruppe von Öko-Terroristen“ das experimentelle Reisfeld mit dem gv-Risottoreis RIS8imo zerstört, teilte die Universität Mailand tags darauf mit. Deren Wissenschaftler:innen Vittoria Brambilla und Fabio Fornara hatten den gv-Reis entwickelt, der gegen die Pilzkrankheit Reisbrand resistent sein soll. Dazu hatten sie mithilfe des neuen gentechnischen Verfahrens (NGT) Crispr/Cas9 drei Gene abgeschaltet, von denen angenommen wird, dass sie Reispflanzen gegenüber dem Reisbrandpilz Pyricularia oryzae anfälliger machen.
Das Versuchsareal war am 13. Mai auf einem Hof mitten im Reisanbaugebiet der Lombardei mit 200 Setzlingen auf 28 Quadratmetern angelegt worden. Umgeben war es von einem 400 Quadratmeter großen Reisfeld, das als Puffer dienen sollte, um Auskreuzungen zu verhindern. Gesichert war es lediglich mit einem Drahtzaun, der es vor Tieren schützen sollte. Die Videokamera zur Überwachung wurde laut Medienberichten von den Eindringlingen unbrauchbar gemacht. Anschließend schnitten sie die gv-Pflanzen vermutlich mit einer Sichel ab und rissen die Reste aus dem Boden, wie die Fachzeitschrift Science berichtete. Laut der Agentur Reuters seien zwei Drittel der Pflanzen zerstört und der Rest schwer geschädigt worden.
Die Forschenden hätten diese Pflanzen wieder eingesetzt, einige seien auch wieder angewachsen, doch eine wissenschaftlich solide Auswertung sei vermutlich nicht mehr möglich, zitierte Science die Forscherin Vittoria Brambilla. Diese will ihren Versuch im nächsten Jahr wiederholen, fordert aber gesetzliche Veränderungen, die es erlauben, den Anbauort geheim zu halten. Zudem müsste das Dekret verlängert werden, das Feldversuche mit NGT für 2024 genehmigt hatte. Entsprechende politische Bestrebungen gebe es bereits, berichtete Reuters.
Während in den italienischen Medien viel von Vandalen und obskuren Wissenschaftsfeinden die Rede ist und die Chancen der Gentechnik für eine nachhaltige Landwirtschaft betont werden, bezieht die Bauernvereinigung Associazione Rurale Italiana (ARI) eine andere Position: Es habe im Vorfeld des Versuchs „keine öffentliche Diskussion, keine Informationskampagne, keine ernsthafte Bewertung der Risiken für unser landwirtschaftliches System oder des potenziellen Image- und Wirtschaftsschadens für die italienische Qualitätslandwirtschaft“ gegeben, kritisierte die ARI.
Man habe den Standort nach der Anpflanzung besichtigt und mehrere Verstöße gegen die von der Umweltbehörde Ispra festgelegten Auflagen festgestellt. So konnte der Maschendrahtzaun nicht verhindern, dass kleine Tiere eindringen, und der vorgegebene Abstand zum nächstgelegenen herkömmlichen Reisanbau sei nicht eingehalten worden. Zwar sei die wissenschaftliche Forschung frei, aber auch sie müsse das Vorsorgeprinzip beachten und ihre Versuche sicher durchführen, schrieb ARI. Die Organisation verlangte eine öffentliche Debatte, ob gentechnisch veränderte Pflanzen in Italien zu Versuchs- und Anbauzwecken unumkehrbar eingeführt werden sollen.
Denn RIS8imo ist erst der Anfang. Im EU-Register der Feldversuche finden sich zwei weitere Einträge für Italien. Forschende der Universität Verona wollen auf zwei Weingütern für vier Jahre Chardonnay-Weinreben pflanzen, die sie gentechnisch widerstandsfähig gegen die Pilzkrankheit Falscher Mehltau gemacht haben wollen. Wissenschaftler:innen des staatlichen Forschungsinstituts CREA wollen Tomatenstauden testen, deren Wurzelausscheidungen sie gentechnisch angeblich so verändert haben, dass diese Beikräuter besser unterdrücken. Beide Versuche sind im italienischen Register für Feldversuche noch nicht eingetragen. Die Umweltorganisation Centro Internazionale Crocevia forderte die Umweltbehörde Ispra auf, alle Informationen über die beiden Versuche zu veröffentlichen und erwägt rechtliche Schritte, um die vorgeschriebene Transparenz einzufordern. [lf]