Aktuelle Beiträge des Informationsdienst Gentechnik

Artenschutz oder Einfallstor: Die USA diskutieren über eine Gentech-Kastanie

Ein Pilz hat die amerikanische Kastanie nahezu ausgerottet. Nun sollen gentechnisch veränderte und dadurch resistente Kastanien die Art wiederbeleben. Doch der Widerstand gegen eine Freisetzung wächst.

Für die indigenen Völker Amerikas und die weißen Siedler war die amerikanische Kastanie überlebenswichtig. Die riesigen Bäume lieferten essbare Früchte und wertvolles Bauholz. Dadurch entstand eine tiefe Bindung der Menschen zu diesem Baum, der inzwischen fast ausgestorben ist. Denn zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann ein vermutlich aus Japan eingeschleppter Pilz die Bäume zu befallen und zerstörte die riesigen Bestände. Versuche, auf traditionelle Weise resistente Kastanien zu züchten, brachten keinen Erfolg. Nun soll es die Gentechnik richten.

Wissenschaftler der Universität von New York haben Weizen-Erbgut in die Kastanie eingeschleust. Sie soll damit ein Enzym produzieren, das die Wirkungskette des Pilzes unterbricht und ihn dadurch unschädlich macht. Die Forscher haben bei den US-Behörden die Erlaubnis beantragt, die gentechnisch veränderte (gv) Kastanie in die Wälder der Ostküste zu pflanzen – mit dem Ziel, eine aussterbende Art zu retten. Den Widerstand dagegen führt die Campaign to STOP GE Trees an.

Die Gegner der Freisetzung argumentieren mit deren völlig unbekannten ökologischen Auswirkungen. Die Pollen von Gentech-Bäumen könnten über Hunderte Kilometer verbreitet werden. Zudem sei das hochkomplexe Ökosystem Wald weitgehend unerforscht, ebenso die Auswirkungen von Gen-Manipulationen auf das Wurzelwerk der Bäume und die zugehörigen Pilze und Bodenbakterien. Die US-Behörden hätten nicht einmal ein Regelwerk, um diese Risiken von Gentech-Bäumen überhaupt zu erfassen, schreibt die Campaign.
Sie sieht in der geplanten Kastanien-Freisetzung vor allem eine PR-Aktion, um die öffentliche Meinung gegenüber Gentech-Bäumen positiv zu beeinflussen. Aus diesem Grund hätten Monsanto und ArborGen die Forschungen unterstützt. ArborGen entwickelt selbst gentechnisch veränderte Bäume und drängt auf deren Zulassung. Die Freisetzung der Gentech-Kastanie wäre ein Einfallstor für weitere Gentech-Bäume wie gv-Eukalyptus oder gv-Pappeln, die vor allem für die industrielle Forstwirtschaft gedacht seien, schreibt die Campaign. Widerstand kommt auch von den indigenen Völker im Osten der Vereinigten Staaten. Sie lehnen gentechnische Eingriffe in die Natur aus spirituellen Gründen ab und befürchten, dass sich die Gentech-Kastanie auch in ihren Wäldern ausbreiten könnte. [lf]The Campaign to STOP GE Trees: Biotechnology For Forest Health? The Test Case of the Genetically Engineered American Chestnut (April 2019)The Ecologist: Tree biotech and the American chestnut (13.06.2019)The New Food Econoy: Researchers can restore the American chestnut through genetic engineering. But at what cost? (29.04.2019)Pacific Standard: The Most Controversial Tree in the World (25.06.2019)Infodienst: Dossier Gentechnik-Bäume

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Russland setzt auf Genome Editing

Russland will mit einem staatlich unterstützten Forschungsprogramm neue gentechnische Verfahren fördern und damit hergestellte Produkte vereinfacht zulassen. Bisher hat das Land den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verboten.

Doch nun wolle die russische Regierung 1,5 Milliarden Euro in die Anwendung neuer gentechnischer Verfahren wie CRISPR/Cas investieren, berichtete die Zeitschrift Nature. Ziel des Programms sei es, bis 2020 zehn Arten von gen-editierten Pflanzen und Tieren zu entwickeln – und weitere 20 bis 2027.
Im Mittelpunkt des Programms stehen Gerste, Weizen, Zuckerrüben und Kartoffeln. Laut Nature gibt es dazu an mehreren russischen Forschungsinstituten bereits Projekte. Sie zielen darauf ab, Kartoffel und Zuckerrüben resistenter gegen Krankheitserreger zu machen. Bei Weizen und Gerste sollen Verarbeitungseigenschaften verbessert und der Nährwert erhöht werden. Der Artikel zitiert auch mehrere, teils anonyme Stimmen, die bezweifeln, ob das Programm angesichts der schlechten Arbeitsbedingungen in der russischen Gentechnik-Forschung und der überbordenden Bürokratie tatsächlich die gewünschten Erfolge bringen wird.

Russland hatte 2016 nach einem mehrjährigen Anbau-Moratorium ein Gesetz erlassen, das den Anbau gentechnisch veränderter Organismen (GVO) verbietet. Es beschreibt GVO als Veränderung, die nicht durch natürliche Prozesse erreicht werden kann. Laut Nature definiert das Dekret, mit dem das Forschungsprogramm etabliert wurde, Genome Editing Verfahren wie CRISPR/Cas als vergleichbar mit konventioneller Züchtung. Dabei entspreche die Wortwahl derjenigen des US-Landwirtschaftsministeriums, wonach genom-editierte Pflanzen, die theoretisch auch mit konventioneller Züchtung hergestelllt werden könnten, nicht reguliert werden sollen. [lf]Nature: Russia joins in global gene-editing bonanza (14.05.2019)Heise: Es CRISPRt in Russland (21.05.2019)

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Gentech-Pilz produziert tödliches Spinnengift

US-Forscher haben einen Pilz gentechnisch so verändert, dass er ein Spinnengift produziert und damit Malaria-Moskitos ausrottet. Doch das Gift ist auch für den Menschen tödlich.

Die australische Trichternetzspinne gehört zu den giftigsten Spinnen der Welt. Ihr Biss kann für einen Menschen tödlich sein – falls er nicht schnell genug das Gegenmittel gespritzt bekommt. Forscher der Universität von Maryland haben das Erbgut eines Pilz der Gattung Metarhizium pingshaense so verändert, dass er das Gift der Spinne produziert. Der Pilz befällt natürlicherweise Moskitos und tötet sie langsam. Durch die gentechnische Veränderung produziert er das Spinnengift, sobald er sich in der Blutbahn des Insekts befindet und tötet es damit sofort. Die US-Wissenschaftler erprobten die Wirkung in Burkina Faso in Westafrika zusammen mit heimischen Wissenschaftlern. Sie bauten dazu unter einem überdimensionalen moskitodichten Netz ein kleines Dorf nach, mit Moskitos, aber ohne Menschen. Sie imprägnierten Baumwolltücher, auf denen Moskitos gerne rasten, mit dem Gentech-Pilz. Nach 45 Tagen lebten von 1500 Moskitos und ihrem Nachwuchs noch 13 Tiere.
Die Forscher berichteten, sie hätten den gentechnisch veränderten (gv) Pilz in Maryland and Burkina Faso an anderen Insekten getestet. Diese habe er nicht geschädigt. Studienleiter Brian Lovett sagte gegenüber dem Magazin Atlas Obscura, es werde mindestens noch fünf bis zehn Jahre dauern, bis der Pilz in der Malariabekämpfung eingesetzt werden könne. Als nächste sei es notwendig, mit Regulatoren und den Menschen vor Ort zu reden, um die Erlaubnis für Freilandversuche zu erhalten.
André Leu, der frühere Präsident des weltweiten Bio-Dachverbands IFOAM, sieht den Versuch kritisch. Einmal ausgebracht könne der gv-Pilz nicht mehr rückgeholt werden. Zwar sei der Pilz überlicherweise harmlos für Menschen. Doch was passiere, wenn die Spinnengift-Gene durch horizontalen Gentransfer auf andere Arten übertragen würden, fragt sich Leu? Auch gebe es keine Garantie dafür, dass sich der Pilz nicht weiterentwickle und dann auch Menschen angreife. [lf]University of Maryland: Transgenic Fungus Rapidly Killed Malaria Mosquitoes in West African Study (30.05.2019)Atlas Obscura: Inside Burkina Faso’s Mosquito Dome, Where Venomous Fungus Is Put to the Test (14.06.2019)Österreichischer Rundfunk: Gentechpilz tötet Malariamoskitos (31.05.2019)

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Europawahl: Parteien antworten auf Fragen zur Gentechnik

An diesem Sonntag, dem 26. Mai, können Sie das nächste Europäische Parlament wählen. Dabei entscheiden Sie mit darüber, ob gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen und Tiere künftig auf deutschen Äckern und Tellern landen werden. Weil die Wahlprogramme zum Thema Gentechnik teils etwas dünn sind, haben zehn Verbände aus Landwirtschaft, Umwelt und Gesellschaft einige Parteien direkt angeschrieben.
Am weitesten unter den Parteien geht die Linke: Sie lehnt Agrogentechnik grundsätzlich ab. Daher fordert sie von der Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, die Agro-Gentechnik in der Europäischen Union (EU) komplett zu verbieten. Zwischen Zulassungen zum Anbau und Handel zu unterscheiden, macht für die Linke keinen Sinn, da Risiken und Verunreinigungen überall drohen. Das so genannte „opt-out“, durch das in der EU zugelassene GVO in einzelnen Mitgliedsstaaten verboten werden können, hält sie für „ein unmoralisches Angebot“.
SPD und Bündnis 90/Die Grünen wollen ebenfalls, dass in Zukunft in ganz Europa keine gv-Pflanzen angebaut werden. Das Vorsorgeprinzip, das eine umfassenden Risikobewertung neuer Entwicklungen verlangt, soll weiter einen hohen Stellenwert genießen. Neue gentechnische Methoden wie Crispr-Cas9 sollen als Gentechnik eingestuft bleiben, wie das der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Juli 2018 entschieden hat. Das bedeutet unter anderem, dass Produkte aus solcherart veränderten Pflanzen klar gekennzeichnet werden müssen. Grüne und Linke plädieren dafür, ein internationales Register einzurichten, das solche Pflanzen erfasst.
Die CDU/CSU möchte dagegen die Chancen, die neue Züchtungstechnologien wie Crispr-Cas9 ihrer Ansicht nach bieten, prüfen und abwägen. Anders als der EuGH will sie zwischen transgener Gentechnik und klassischen beziehungsweise modernen Züchtungstechnologien wie Crispr-Cas9 rechtlich klar trennen. Dazu will sie „gegebenenfalls“ nach der Wahl das EU-Gentechnikrecht ändern. Zugleich spricht sie sich aber dafür aus, standardisierte und auf EU-Ebene harmonisierte Verfahren für den schwierigen Nachweis der Produkte moderner Technologien zu entwickeln.
Eine besondere Art der gentechnischen Veränderung sind die „gene drives“, auch „Vererbungsturbo“ genannt. Diese Methode greift in die natürliche Vererbung ein mit dem Ziel, bestimmte Eigenschaften schnell und umfassend in einer Population zu verbreiten. SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen verweisen auf die unkalkulierbaren ökologischen Risiken dieser Technik und sprechen sich für ein Moratorium aus. CDU/CSU wollen prüfen, ob ein Moratorium aus ihrer Sicht notwendig ist. Anderenfalls wollen sie für „gene drives“ spezielle Regeln erlassen.
Eine Antwort der FDP lag dem Infodienst Gentechnik nicht vor. Zu den zehn fragenden Verbänden gehören der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Greenpeace, Demeter und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. [vef]Antworten der Linken zur Gentechnik bei der Europawahl (ohne Datum)Antworten von Bündnis90/Die Grünen auf die Gentechnikfragen zur Europawahl (ohne Datum)Antworten der SPD auf die Gentechnikfragen zur Europawahl (17.4.2019)Antworten von CDU und CSU auf die Gentechnikfragen zur Europawahl (10.4.2019)Infodienst – Europawahl und Gentechnik: Ein Blick in die Wahlprogramme (01.04.2019)top agrar online: Alle gegen Genmanipulation – alle? (9.5.2019 – Video einer Diskussionsveranstaltung)

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