Aktuelle Beiträge des Informationsdienst Gentechnik

Europas Verbände fordern: Gentech-Pflanzen nicht deregulieren

Eine breite Koalition von 162 Organisationen hat Frans Timmermans, dem Vize-Präsidenten der Europäischen Kommission, einen offenen Brief geschrieben. Sie fordert, Pflanzen und Tiere, die mit neuen gentechnischen Methoden verändert wurden, auch in Zukunft strikt zu regulieren. Ferner soll die EU-Kommission ein weltweites Moratorium für Gene Drive-Organismen unterstützen.

Die bestehenden EU-Gentechnik-Standards sicherten die Umsetzung des Vorsorgeprinzips und schützten Umwelt und Verbraucher, schrieben die Organisationen aus den Bereichen Umwelt- und Verbraucherschutz, Land- und Lebensmittelwirtschaft. Bauern und Konsumenten könnten frei wählen, ob sie gentechnisch veränderte Pflanzen essen oder anbauen wollen. Aktueller Anlass für den offenen Brief ist eine Studie über den derzeitigen Status und die zukünftige Regulierung gentechnisch veränderter Organismen in der Europäischen Union (EU). Die Regierungen der europäischen Mitgliedstaaten hatten die EU-Kommission im November 2019 aufgefordert, eine solche Studie zu erstellen. Sie soll verschiedene Aspekte berücksichtigen, darunter den wissenschaftlichen Fortschritt, die rechtliche Situation, wie auch eine Veröffentlichung der „Europäischen Gruppe für Ethik in Wissenschaft und neuen Technologien“. Die Europäische Kommission hat angekündigt, die Studie Ende April zu veröffentlichen.

Ferner fordern die Autoren des Briefes an Timmermans und andere Mitglieder der EU-Kommission, diese solle sich dafür einsetzen, dass die Regelung der Gentechnik in Großbritannien auch nach dem Brexit EU-konform bleibt. Denn die britische Regierung plant aktuell, ihr Gentechnikrecht zu überarbeiten. Wie der Infodienst berichtete, hatte sie dafür Anfang des Jahres Betroffene zu einem Konsultationsverfahren eingeladen, das Mitte März endete. Die Organisationen fordern Timmermans jetzt auf, sich bei der Regierung von Großbritannien dafür stark zu machen, diese Pläne fallen zu lassen. Denn wenn gentechnisch veränderte Pflanzen in Großbritannien künftig weniger streng geregelt würden, würde das auch den Handel mit der EU betreffen.

Schließlich fordern die 162 Organisationen, die EU-Kommission solle sich für die Unterstützung eines weltweiten Moratoriums über die Nutzung von sogenannten Gene Drive-Organismen einsetzen. Gene Drive-Organismen entstehen aus einer besonderen Anwendung der neuen Gentechnik. Diese birgt die Gefahr, dass ganze Arten von Organismen stark dezimiert oder ausgerottet werden könnten. Das Europäische Parlament hatte sich bereits im Januar 2020 im Sinne einer Petition für ein globales Moratorium ausgesprochen. Gerade in Zeiten einer „ökologischen Krise, wenn eine Million Arten bedroht sind“, könne nicht mit einer Technologie experimentiert werden, die auch als „Aussterben nach Bedarf“ bezeichnet wird, so die Begründung. [cp]IFOAM EU: Civil society, farmers and business organizations: Vice-President Timmermans, don’t deregulate GM crops & animals. Pressemitteilung (30.03.2021)IFOAM EU und andere: Regulation of new genomic techniques. Offener Brief (30.03.2021)Britisches Umweltministerium: Gene editing creates potential to protect the nation’s environment, pollinators and wildlife (07.01.2021)Stop Gene Drives: PetitionEuropäisches Parlament: European Parliament resolution (…) on the 15th meeting of the Conference of Parties (COP15) to the Convention on Biological Diversity [2019/2824(RSP)] (16.01.2020)Infodienst – Briten gefragt: Brexit auch bei der Gentechnik? (02.02.2021)

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Ärger um den Ernährungsgipfel der Vereinten Nationen

Ein für den Sommer geplanter globaler Gipfel über Ernährungssysteme unter dem Dach der Vereinten Nationen zieht massive Kritik auf sich. Zuletzt, Anfang März, sorgte ein Vorbereitungstreffen in Brazzaville (Republik Kongo) für Aufregung: In einem Hintergrundpapier zu dem sogenannten „Regionalen Dialog: Afrikanische Ernährungssysteme‟ werden diese Systeme für zukünftige Investitionen regelrecht angepriesen: die Landwirtschaft sei das „neue Öl‟.

Das Hintergrundpapier zu den afrikanischen Ernährungssystemen liest sich wie ein Werbeprospekt für die industrialisierte Landwirtschaft und den Freihandel. Das Papier wurde von der US-amerikanischen Recherchegruppe „U.S. Right to Know‟ veröffentlicht. Moderne Agrar-Biotechnologien, zum Beispiel, böten die Chance „das afrikanische Ernährungssystem in eine treibende Kraft‟ zu überführen: Diese Kraft „könne ökonomisches Wachstum erzeugen, Wohlstand im ländlichen Raum und darüber hinaus schaffen und die afrikanische Bevölkerung ernähren‟. Der Anbau transgener Baumwolle in Westafrika wird als erfolgreiches Beispiel für die Nutzung von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Vergangenheit dargestellt. Dass die Baumwolle in Burkina Faso aufgrund von Qualitätsmängeln nicht mehr genutzt wird, bleibt dabei unerwähnt.
Gleichzeitig zeichnen die Autorinnen und Autoren des Hintergrundpapiers ein düsteres Bild des bestehenden Systems. Von Ausnahmen abgesehen sei es in einem „schlimmen Zustand‟. Aber „die Gelegenheit ist da. Bis 2030 wird für die Landwirtschaft ein Billionen-Dollar-Markt erwartet, der reif ist für Innovationen.‟
Für den Gipfel über Ernährungssysteme im September („The 2021 Food Systems Summit‟) sind Dialog-Veranstaltungen „part and parcel‟, wesentliche Bestandteile. Weite Teile der Zivilgesellschaft haben das Vertrauen jedoch bereits verloren. Das „African Center for Biodiversity‟ (ACB) sieht in dem aktuellen Dialog von Brazzaville „einen weiteren legitimierenden Raum für ein elitäres Konsens-Verfahren‟. Dieses werde auf dem Gipfel als die Stimme Afrikas präsentiert. Diese eine Stimme Afrikas, wie sie sich aus dem Hintergrundpapier andeutet, gebe es jedoch nicht. Auch wenn eine Reihe von Problemen korrekt benannt seien, finde sich darin ein vorhersagbares Recycling der gleichen Lösungen, wie sie seit vielen Jahren angeboten werden.
Aber die Zivilgesellschaft hatte schon früher deutliche Kritik an den Vorbereitungen des Gipfels geübt, unter anderem an einer strategischen Partnerschaft mit dem „World Economic Forum‟, bekannt als Treffen der Wirtschaftseliten in Davos oder der Besetzung der Leitung des Gipfels mit Agnes Kalibata, der Präsidentin der Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA).
ACB ist Teil des Bündnisses von zivilgesellschaftlichen Gruppen und der Vertretung der indigenen Gemeinschaften CMS. Dieses repräsentiert mehr als 500 Organisationen, darunter Vertretungen von Bäuerinnen und Bauern, Menschenrechtsgruppen, sowie Entwicklungsorganisationen. CMS hat angekündigt, den Food Summit im September zu boykottieren und eine Parallelveranstaltung zu organisieren.
Der Food Summit soll als Teil der Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN) stattfinden. Er soll helfen, die zukünftige Richtung globaler Ernährungssysteme zu entwickeln – gerade mit Blick auf die Agenda 2030 und die Nachhaltigkeitsziele der VN. Das als Hintergrundpapier beschriebene Dokument war von verschiedenen Organisationen erstellt worden, darunter die Wirtschaftskommission für Afrika der Vereinten Nationen (UNECA), die Entwicklungsorganisation der Afrikanischen Union (AUDA-NEPAD), die Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und das UN-Kinderhilfswerk (UNICEF).US Right to Know: The next neocolonial gold rush? African food systems are the ‘new oil,’ UN documents say (09.03.2021)Hintergrundpapier des Regional Dialogue: African Food Systems. Seventh Session of the Africa Regional Forum on Sustainable Development (04.03.2021, Brazzaville, Republik Kongo)Policy Brief. Strengthening African Agricultural Research and Development Towards an Improved Africa Food System. „One Africa Voice‟ towards the 2021 UN Food System SummitVereinte Nationen: The 2021 Food Systems SummitAfrican Center for Biodiversity: Reflections on the Regional Dialogue on African Food Systems, at the Seventh Session of the Africa Regional Forum on Sustainable Development (10.03.2021)Civil Society and Indigenous Peoples‘ Mechanism for relations with the UN Committee on World Food Security (CSM): CSM Letter to the CFS Chair on Food Systems Summit (09.03.2021)

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