Aktuelle Beiträge des Informationsdienst Gentechnik

„Schocker“: Narrative der Gentechnik-Entwickler im TV-Programm

Mai Thi Nguyen-Kim präsentiert ihre Sendung: "MAITHINK X - Die Show"  Foto: ZDF/ben knabeGentechnische Verfahren in der Nutzpflanzenzucht und ihre rechtliche Regelung sind komplexe Themen. Diese verständlich und ausgewogen darzustellen, gelingt deutschen Medien mit wechselndem Erfolg. Das Münchner Institut Testbiotech sah sich in jüngster Zeit mehrfach veranlasst, einseitige, von Narrativen der Entwickler geprägte Berichterstattung zu kritisieren. Der ZDF-Fernsehrat räumte bereits ein, dass in einer Maithink X-Show zur Agrogentechnik Fakten und persönliche Meinung der Autorin nicht klar genug getrennt wurden.
Jüngster Anlass zur Intervention: Eine Sendung „Unser Land“ im bayrischen Fernsehen zum Thema Gentechnik in Lebensmitteln von vergangener Woche. In zeitlich vergleichsweise ausgewogenem Verhältnis kommen befürwortende und kritische Fachleute zu neuen gentechnischen Verfahren wie Crispr-Cas zu Wort. Das Defizit der Sendung sieht der Geschäftsführer von Testbiotech darin, dass die jeweiligen Argumente zur Risikobewertung der Technologie nicht genannt und einander gegenübergestellt worden seien. Die Autor:innen hätten lediglich festgestellt, dass die Argumente der Warnenden von der Mehrheit der Wissenschaftler:innen nicht geteilt würden, kritisierte Christoph Then, der in der Sendung ebenfalls zu Wort kam. „Die Position von wissenschaftlich argumentierenden Minderheiten auszugrenzen, ohne ihre Argumente zu prüfen und ernsthaft zur Diskussion zu stellen, ist kein guter Journalismus“, schrieb er gestern in einem offenen Brief an die Redaktion. Er verwies darauf, dass anfangs auch diejenigen Forschenden in der Minderheit waren, die frühzeitig vor einem Klimawandel gewarnt hatten.
Deutlich bis polemisch pro Gentechnik positioniert hatte sich bereits im März vergangenen Jahres Mai Thi Nguyen-Kim in ihrer Wissenschaftsshow Maithink X im ZDF. Es sei „völlig bananas“, die Sicherheit einer neuen Pflanzensorte auf Basis ihres Herstellungswegs zu beurteilen, anstatt aufgrund ihrer Eigenschaften, sagte die Chemikerin in der Sendung. In einer fünfseitigen Beschwerde an den Fernsehrat des ZDF wandte sich Testbiotech vor allem gegen drei Aussagen der Sendung: Gentechnik sei nicht – wie behauptet – einfach eine Fortsetzung der bisherigen Züchtung. Ferner sei es falsch, die Risiken der Gentechnik denen der bisherigen Züchtung gleichzusetzen. Und schließlich müsse kritisch überprüft werden, ob gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen wirklich den Nutzen brächten, den Entwickler und Unternehmen versprächen.
Und nicht nur Testbiotech ist die Sendung sauer aufgestoßen. Auch Bernd Rodekohr von der Aurelia-Stiftung zum Schutz der Biene belegt in einer ausführlichen Analyse, wo und warum Thesen und Hypothesen der Sendung einseitig oder unpräzise sind. Der ZDF-Fernsehrat hat zwar keinen Verstoß gegen Rechtsvorschriften festgestellt. Wie er am 9. Dezember an Testbiotech schrieb, handele es sich bei der Sendung jedoch „in Teilen um ein Werturteil zum Thema Grüne Gentechnik, ohne dass dies in dem neu entwickelten Hybrid aus Wissenschaftssendung und Show- Format hinreichend kenntlich gemacht wird“. Der wissenschaftliche Anspruch der Sendung stehe „in Spannung zu ausgeprägten Meinungselementen“, räumte Fernsehratsvorsitzende Marlen Thieme ein. Das ZDF müsse zwar nicht innerhalb jeder einzelnen Sendung ausgewogen berichten. Es fehlten hier jedoch Hinweise „auf andere ZDF-Sendungen zum Ausgleich des vorgetragenen Standpunkts“. Thieme versicherte, eine gut begründete Beschwerde werde im ZDF konstruktiv diskutiert und führe „wo nötig, auch zu Reaktionen in der redaktionellen Arbeit“.
Dem Team der heute-Show vom 2. Dezember schien zumindest klar zu sein, dass das Thema heikel ist. Denn Oliver Welke kündigte es als „Schocker“ an, über den man doch zumindest mal debattieren sollte. Auch er verbreitete die These, zwischen neuer Gentechnik und konventioneller Züchtung gebe es keine Unterschiede. Dass dem nicht so ist, erklärt Testbiotech regelmäßig mit konkreten Beispielen auf seiner Webseite. Wozu die gentechnikkritischen Organisationen aber applaudierten, war die Tatsache, dass der Comedian ungewohnt ernsthaft dafür plädierte, mit neuer Gentechnik entwickelte Pflanzen auf ihre Risiken für Umwelt und Gesundheit zu prüfen und sie zu kennzeichnen. Denn, wie Bernd Rodekohr an Oliver Welke schrieb: „Nur so können Verbraucher:innen entscheiden, ob sie sich auf die Pilzpfanne mit ‚genomeditierten essbaren Knollenblätterpilzen‘ stürzen möchten (Rezept der Maithink X-Show vom 27.3.2022) oder lieber auf die klassische, aber erprobte ‚Atompilzpfanne‘ aus der heute-Show (yummy!).“ [vef]

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"Goldener Reis" geerntet, Filipinos besorgt

GoldAuf den Philippinen wurden dieses Jahr erstmals einige Tonnen gentechnisch veränderter (gv) Reis mit einem erhöhten Gehalt an Beta-Carotin geerntet. Die wegen ihrer Farbe als „goldener Reis“ bezeichnete Pflanze wurde bereits vor 24 Jahren präsentiert. Damals galt sie als gentechnische Lösung, um den Vitamin A-Mangel in Entwicklungsländern zu beheben. Inzwischen geben selbst Befürworter:innen zu, dass andere Methoden schneller helfen.

67 Tonnen „goldener Reis“ (englisch: Golden Rice) seien in diesem Jahr auf 17 Feldern der philippinischen Insel Antique geerntet worden, meldete die Wissenschaftsseite Phys.org. Sie sollen nun an Haushalte mit schwangeren Frauen, stillenden Müttern oder Kindern im Vorschulalter verteilt werden, die durch Vitamin-A-Mangel verursachte Krankheiten erleiden könnten. Das Portal Manila Bulletin gibt die Anbau-Fläche mit 15 Hektar an und erwähnt, dass der gv-Reis auf weiteren 23 Hektar angebaut wurde, um zusätzlich Saatgut zu gewinnen. Denn das philippinische Landwirtschaftsministerium wolle, dass der gelbe Reis 2027 auf zehn Prozent der Reisanbaufläche wächst, was ungefähr 500.000 Hektar entspreche, wie der Leiter des „goldener Reis“-Programms des staatlichen Forschungsinstituts PhilRice dem Blatt mitteilte. Die philippinische Regierung setzt stark auf Gentechnik und hatte vor zwei Monaten auch den Anbau gentechnisch veränderter Bt-Auberginen zugelassen. Sie produzieren ein Bakteriengift gegen Schädlinge.

Die vergangenen zehn Jahre war es vor allem PhilRice und das auf den Philippinen ansässige internationale Reisforschungsinstitut IRRI, die noch am „goldenen Reis“ arbeiteten. Schon 2013 zerstörten wütende Bauern geheimgehaltene Versuchsfelder des IRRI. Der Widerstand hat seither nicht nachgelassen. In einer Stellungnahme schreibt das Netzwerk StopGoldenRice: „Trotz des überwältigenden Widerstands der philippinischen Bevölkerung, ungerechtfertigter Lücken im Genehmigungsverfahren, möglicher Risiken für unsere Umwelt und Gesundheit und des Überflusses an lokal verfügbaren Vitamin-A-reichen Feldfrüchten im Land wird dieser Reis nun auf unseren Feldern angebaut und in unsere Nahrungsmittelsysteme gezwungen.“ Das Netzwerk befürchtet, dass der gv-Reis die widerstandsfähigen traditionellen und von den Landwirten gezüchteten Reissorten dauerhaft verunreinigen könnte.

Seit Jahrzehnten stark in der bäuerlichen Züchtung engagiert ist die Organisation Masipag. Sie hat zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen eine Petition an das Oberste Gericht der Philippinen gerichtet. Die Richter sollen die Genehmigungen für den Anbau von gv-Reis und gv-Auberginen vorläufig auf Eis legen. Damit würden sie die Umwelt schützen und zwei Grundnahrungsmittel des Landes, sagte Masipag-Koordinator Alfie Pulumbarit der Zeitung Philippine Star. Denn es sei nicht erwiesen, dass Beta-Carotin-Reis und Bt-Auberginen für die Umwelt und den menschlichen Verzehr sicher seien.

Womöglich spielt bei den anstehenden Gerichtsverhandlungen die Frage eine Rolle, ob es den gv-Reis überhaupt braucht, um Vitamin A-Mangel (VAD) wirkungsvoll zu bekämpfen. Die Antwort ist nein: In den 90-er Jahren war VAD weltweit bei 23 bis 34 Prozent der verstorbenen Kinder unter fünf Jahren die Todesursache. Bis 2013 sank dieser Anteil auf etwa zwei Prozent. Die Ursachen dafür waren „umfangreiche Impfprogramme gegen Masern, ein besserer Zugang zu sauberem Wasser sowie die Versorgung mit Vitamin A-Tabletten durch kommunale Gesundheitsprogramme“. So steht es in einem Beitrag von 2021 für ein Buch über Reisforschung. Geschrieben haben dieses Kapitel übrigens Befürworter:innen des „goldenen Reises“, die ihn natürlich dennoch loben. [lf]

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