Nachdem die EU-Kommission den Unkrautvernichter Glyphosat Ende 2023 für weitere zehn Jahre zugelassen hatte, musste die Bundesregierung das in der deutschen Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung ab 2024 vorgesehene Verbot blitzartig aussetzen. Jetzt hat sie das Verbot aus der Verordnung gestrichen und die schon im September 2021 beschlossenen Anwendungsbeschränkungen reaktiviert. Wenn der Bundesrat zustimmt, werden sie am 1. Juli in Kraft treten.
Damit sollen in Deutschland künftig lediglich die Einschränkungen für die Glyphosatnutzung gelten, die noch von der damaligen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) erarbeitet und beschlossen wurden. Demnach wäre Glyphosat für Hobbygärtner und in öffentlichen Parks und Anlagen verboten. Ebenso dürfte es wie zahlreiche andere Pestizidwirkstoffe nicht in Naturschutzgebieten eingesetzt werden. Verboten wäre zudem das Abspritzen erntereifer Bestände (Sikkation) sowie „die Anwendung in Wasserschutzgebieten, Heilquellenschutzgebieten und Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten“. Einschränkungen gelten für das Spritzen von Glyphosat vor der Aussaat und nach der Ernte zur Stoppelbehandlung. Allerdings sind die Ausnahmen (mehrjährige Unkräuter wie Ackerkratzdistel oder Erosionsgefährdung) großzügig formuliert. Für pfluglosen Ackerbau gelten sie gar nicht. Grünland darf zur Neueinsaat weiterhin mit Glyphosat totgespritzt werden, wenn Umpflügen wegen Erosionsgefahr problematisch ist.
Mit der damaligen fünften Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung hatte die Bundesregierung 2021 geregelt, dass Glyphosat ab 1. Januar 2024 verboten sein sollte. Mit der Neuzulassung des Wirkstoffes durch die EU-Kommission Ende November 2023 hätte dieses deutsche Verbot - so die Einschätzung des Agrarministeriums - gegen EU-Recht verstoßen. Mit einer Eilverordnung setzte die Bundesregierung es daher im Dezember außer Kraft und strich auch gleich alle anderen Glyphosat betreffenden Bestimmungen aus der Verordnung. Mit der nun verabschiedeten Änderung werden diese alten Bestimmungen wieder in Kraft gesetzt, der Einsatz des Totalherbizids aber darüber hinaus nicht weiter eingeschränkt.
Dabei wären, auch nach EU-Recht, weitere Einschränkungen möglich gewesen. Etwa zum Schutz kleiner pflanzenfressender Säugetiere, zum Schutz von Grund- und Oberflächenwasser oder wegen möglicher indirekter Auswirkungen auf die Biodiversität. Die Heinrich Böll-Stiftung hatte im Januar 2024 ein Rechtsgutachten dazu veröffentlicht. Diesem zufolge wären sowohl gesetzlich festgelegte Anwendungsbeschränkungen als auch ein nationales Anwendungsverbot rechtlich zulässig – verbunden mit einer genauen wissenschaftlichen Begründung konkreter Risiken. Ebenfalls zulässig seien Anwendungseinschränkungen oder gar Zurückweisungen bei der nun notwendigen Neuzulassung gebrauchsfertiger Pestizidmischungen mit Glyphosat. Zuständig dafür ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Die alten Zulassungen würden ohne Erneuerung zum 15. Dezember 2024 auslaufen.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ging in seiner Mitteilung auf diese Diskussion nicht ein. Er schrieb: „Ein moderner Pflanzenschutz nutzt Glyphosat nur als letztes Mittel, so wie es die gute fachliche Praxis und der integrierte Pflanzenschutz längst vorsehen.“ Fakt ist allerdings, dass Glyphosat nicht das letzte Mittel, sondern das am häufigsten eingesetzte Herbizid in Deutschland ist. Nach Angaben des BVL wurden 2021 4097 Tonnen des Wirkstoffes verkauft. 2022 – also mit den jetzt wieder aufgegriffenen Einschränkungen – waren es 3914 Tonnen. Der Grund dafür sind offensichtlich die großzügigen Ausnahmen bei der Vorsaat- und Stoppelbehandlung, den beiden gängigen Anwendungen des Totalherbizids. [lf]