Bio-Basmatireis aus Pakistan, der über die Niederlande nach Deutschland kam, war mit Spuren von gentechnisch verändertem (gv) Reis verunreinigt. Die hessische Lebensmittelüberwachung hatte dies schon 2023 festgestellt. Doch im Schnellwarnsystem RASFF der EU tauchte der Fall erst im August dieses Jahres auf - ohne die Information, dass die Spuren vermutlich von einem vor mehr als 20 Jahren einmalig in Pakistan zu Forschungszwecken freigesetzten Basmatireis B-307 stammen.
Am 2. August 2024 meldete Deutschland im RASFF den Fund einer nicht zugelassenen gentechnischen Verunreinigung in Bio-Basmatireis aus Pakistan. Die Reisprobe war laut Schnellwarnsystem bereits am 31. Juli 2023 genommen worden. Anders als viele ausländische Medien mutmaßten, liegt hier kein Irrtum bei der Jahreszahl vor, erfuhr der Informationsdienst Gentechnik auf Nachfrage. In der RASFF-Meldung vermerkten die deutschen Behörden, es seien inzwischen keine Vorräte der beprobten Reischarge mehr vorhanden („no stocks left“). Die Niederländer teilten mit, man habe den pakistanischen Exporteur des Reises informiert. Mehr lässt sich aus der öffentlichen Meldung nicht entnehmen.
Die Recherche bei beteiligten Behörden ergab folgenden Ablauf: Die Lebensmittelüberwachung des hessischen Landkreises Marburg hatte in einem Geschäft vier Einzelhandelspackungen Bio-Basmatireis derselben Charge gekauft und zur Prüfung an den Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) geschickt. Dort wurde der Reis in vier Proben aufgeteilt und durchlief zuerst ein Screening. Dieses ergab Hinweise auf einen nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Reis. „Die sich dann daran anschließenden Untersuchungen ergaben ... den Nachweis einer Konstrukt-spezifischen DNA-Sequenz“, teilte das LHL dem Infodienst Gentechnik mit. Erst der konkrete Fund dieser Sequenz habe den Schluss zugelassen, „dass in einer der vier Teilproben nicht zugelassener gentechnisch veränderter Reis in Spuren vorhanden war“.
Diese Spuren allerdings hatten es in sich. Denn sie glichen denen, die deutsche Behörden - unter ihnen die Hessen - 2012 schon einmal gefunden und in einem internationalen Fachmagazin beschrieben hatten. Damals kamen die Expert:innen zu dem Ergebnis, dass die untersuchten Verunreinigungsfälle vermutlich auf frühere Feldversuche pakistanischer Forscher mit gv-Varianten der Basmatisorte B-370 aus den Jahren 2001 und 2002 zurückgingen. Dass sich das Erbgut dieser gv-Pflanzen immer noch nachweisen lässt, wirft Fragen auf: Wie sicher arbeiten Gentechniker:innen und die sie überwachenden Behörden in Ländern wie Pakistan? Welche Auswirkungen haben die Funde auf die pakistanischen Basmati-Exporte? Pakistan liefert jährlich etwa 250.000 Tonnen Basmati-Reis in die EU, davon 40.000 Tonnen in Bio-Qualität. Auch in den USA ist vor Jahren einmal ein nicht zugelassener gv-Reis bei Feldversuchen entkommen: LL601 von Bayer. Er verunreinigte noch Jahre später die US-Reisernte und verursachte einen Schaden von mehr als einer Milliarde Euro.
Das Hessische Landeslabor hatte seit 2012 keine weitere Probe mit einem B-307-Event mehr und sprach von einem seltenen Fund. „Die Bearbeitung einer derart außergewöhnlichen Probe stellt keine Routine-Untersuchung dar", so dass dafür eine entsprechende Zeit erforderlich sei, begründete das Labor, warum es seine Untersuchungen erst im November 2023 beendete. Zur Absicherung ihrer Ergebnisse sandten die Hessen die Probe an das Landesamt für Verbraucherschutz in Halle. Das dortige Labor setzte zwei weitere konstruktspezifische Verfahren ein und konnte damit die Verunreinigung einer Teilprobe bestätigen. Insgesamt wurden damit nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in der Probe „folgende Gentechnik-relevante Parameter nachgewiesen: P35S, T-nos, cry1Ab/Ac, P-ubi-cry und cry1Ab/Ac-Tnos“.
Der Bericht aus Halle ging Ende Februar 2024 zurück nach Wiesbaden. Einen Monat später erstellte das LHL dort „nach intensiver interner Diskussion“ seinen abschließenden Prüfbericht. Da es sich um eine „sehr geringfügige“ Verunreinigung handelte, die zudem nur in einer von vier Proben nachweisbar war, verzichtete das Landeslabor darauf, die Probe formell zu beanstanden und eine Schnellwarnung zu versenden. Es beschränkte sich auf den Hinweis, dass „durch den Inverkehrbringer bzw. Hersteller weitere Nachforschungen und Eigenkontrollen angestoßen werden sollten“, und schickte den Bericht an die Lebensmittelkontrolleure in Marburg.
Diese wiederum informierten die niedersächsische Lebensmittelbehörde, da die bundesweit aktive Einzelhandelskette, in deren Geschäft der Basmatireis in Marburg gekauft worden war, ihren Sitz in Niedersachsen hat. Wie das BVL mitteilte, ließ dieses Unternehmen umgehend den Bio-Basmatireis einer neuen Charge desselben Lieferanten, die zu der Zeit verkauft wurde, von einem Labor auf gentechnische Verunreinigungen untersuchen. Das Ergebnis dieser Eigenuntersuchung wurde nicht veröffentlicht. Gleichzeitig nahm die Kette offenbar Kontakt mit dem niederländischen Unternehmen auf. „Nach hier vorliegenden Informationen wurde dann auf Verlangen der niederländischen Behörden am 22.07.2024 durch die Behörden in Niedersachsen eine Schnellwarnung erstellt und Anfang August veröffentlicht“, schrieb das LHL dem Infodienst.
In Pakistan schlug die Notiz im RASFF hohe Wellen. Das pakistanische Ernährungsministerium kündigte laut einem Bericht in der Tageszeitung The News direkt nach Bekanntwerden des Vorfalls eine Untersuchung an. Über deren Ergebnisse ist bisher nichts bekannt. Im selben Artikel wies der Verband der pakistanischen Reisexporteure die RASFF-Meldung zurück und äußerte den Verdacht einer Verschwörung, an der Indien beteiligt sei. Die verfeindeten Nachbarn Pakistan und Indien reklamieren beide Basmati Reis als ihre nationale Spezialität. Indien hat bereits 2018 eine entsprechende Anerkennung in der EU beantragt, die Gespräche laufen. Pakistan zog Anfang 2024 nach. The News und Pakistan Today thematisierten in ihren Berichten auch die Schwächen der pakistanischen Lebensmittelüberwachung und der für Gentechnik zuständigen Behörden.
Industrie-Insider wiesen darauf hin, dass der Basmatireis gentechnisch verunreinigt worden sein könnte, wenn er auf Feldern wuchs, auf denen im Jahr zuvor gentechnisch verunreinigtes Saatgut aus China angebaut wurde. Handelskreise erinnerten die indische Zeitung The Hindu an Lieferungen von Hybridreissaatgut aus China nach Pakistan im Jahr 2018, in denen gentechnische Verunreinigungen gefunden wurden. Zwar seien diese Lieferungen zurückgewiesen worden, aber vielleicht nicht alle Verunreinigungen entdeckt worden. 2023 habe China Reissaatgut für die Provinz Belutschistan gespendet. Auch dieses könnte verunreinigt gewesen sein. Ein Aufsatz aus dem bekannten Analyselabor Eurofins aus dem Jahr 2023 nannte ebenfalls chinesisches Hybridsaatgut als mögliche Quelle von Verunreinigungen, erwähnte aber auch die Verunreinigungsfälle aus den Jahren 2011 und 2012, die nun wieder aktuell wurden.
Vor diesem Hintergrund fragte der Informationsdienst Gentechnik die EU-Kommission, ob sie angesichts immer wieder auftauchender gentechnischer Verunreinigungen in Reis und Reisprodukten aus China, Vietnam, Indien und Pakistan standardmäßige Analysen beim Import in die EU in Betracht ziehe. In ihrer Antwort sieht die Kommission die Mitgliedstaaten in der Pflicht, deren zuständige Behörden ihre Einfuhrkontrollen auf die im RASFF verfügbaren Informationen stützen sollten. Darüber hinaus schreibe eine Schutzmaßnahme (2011/884/EU) für Reiserzeugnisse mit Ursprung in China eine systematische Probenahme und Analyse der betroffenen Waren vor. [lf/vef]