UPDATE +++ Das Europäische Parlament hat sich heute dafür ausgesprochen, das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat bis 2022 endgültig zu verbieten. Die EU-Kommission will morgen bei den Mitgliedsländern eine Mehrheit dafür suchen, die Zulassung des Herbizids für fünf bis sieben Jahre zu verlängern. Ob es danach aus dem Verkehr gezogen werden soll, ließ ein Sprecher heute in Brüssel offen.
Man wolle den Gesprächen mit den Mitgliedsstaaten nicht vorgreifen, sagte er bei der Pressekonferenz nach der Kommissionssitzung. Ziel sei es, einen Kompromiss mit einer möglichst breiten Mehrheit unter den EU-Mitgliedern zu finden. Ursprünglich hatte der zuständige EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis dafür plädiert, Glyphosat für weitere zehn Jahre zuzulassen. Er war damit allerdings auf massiven öffentlichen Widerstand gestoßen und hatte unter den EU-Mitgliedsländern dafür keine Mehrheit gefunden.
Seit der letzten erfolglosen Abstimmung Anfang Oktober bemüht sich die Kommission daher offenbar, einen Kompromiss mit einer kürzeren Laufzeit zu finden. Und es mehren sich die Anzeichen, dass sie damit Erfolg haben könnte. So hat der Informationsdienst Euractiv aus einer regierungsnahen Quelle vernommen, dass die italienische Regierung sich vorstellen kann, Glyphosat noch für fünf Jahre zu erlauben. Italiens Landwirtschaftsminister Maurizio Martina hatte sich bisher strikt dagegen ausgesprochen, Glyphosat über das Ende der Zulassung am 15.12.2017 hinaus weiter zu versprühen.
Auch in Frankreich wird nach einem Bericht des Donaukurier über eine befristete Verlängerung nachgedacht. Der Zeitraum divergiert allerdings zwischen Umweltminister (drei bis fünf Jahre) und Agrarminister (fünf bis sieben Jahre). Das Bundesumweltministerium hatte gegenüber dem Infodienst deutlich gemacht, dass ein Kompromiss nur unter strengen artenschutzrechtlichen Auflagen denkbar sei. Anderenfalls muss Deutschland sich enthalten. Angesichts laufender Koalitionsverhandlungen fordern die Grünen, hier keine Fakten zu schaffen. Es ist rechnerisch allerding auch ohne Deutschland eine qualifizierte Mehrheit im Ausschuss möglich.
Das Europäische Parlament (EP) hat jedenfalls heute schon eine praktische Anleitung beschlossen, wie Herbizide auf Glyphosatbasis in den nächsten fünf Jahren schrittweise abgeschafft werden sollten: Zunächst sollte der Einsatz im Privathaushalt verboten werden, dann auf Spielplätzen und in öffentlichen Parks. Dann soll untersagt werden, Äcker noch kurz vor der Ernte mit dem Herbizid zu besprühen, wie das in Deutschland bereits der Fall ist. Eine Übergangszeit soll Landwirten die Chance geben, ihren Betrieb auf nachhaltigere Alternativen umzustellen. Die Entschließung des EP wurde mit 355 Stimmen angenommen, bei 204 Gegenstimmen und 111 Enthaltungen. Sie hat rechtlich keine bindende Wirkung, aber möglicherweise hat sie den politischen Druck erhöht. Der Umweltausschuss des EP hatte Glyphosat schon ab 2020 verbieten wollen. Das war im Parlament allerdings nicht mehrheitsfähig.
Unterdessen hatte die Europäische Bürgerinitiative Stop Glyphosat gestern eine Petition mit 1,3 Millionen Unterschriften gegen Glyphosat in Brüssel eingereicht. Sie wird im November eine öffentliche Anhörung im Europäischen Parlament bekommen.
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) wies darauf hin, dass die Wirtschaft der Politik bereits einen Schritt voraus ist: Die großen Baumärkte bieten nach Angaben des Verbandes mittlerweile kein Glyphosat mehr an. In einer repräsentativen Umfrage, die der NABU beim Meinungsforschungsinstitut yougov in Auftrag gegeben hatte, sprachen sich 59 Prozent der Befragten dafür aus, die Zulassung von Glyphosat nicht mehr zu verlängern.
Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) forderte ein Verbot des „überflüssigen“ Unkrautvernichters. Sie schlug eine Übergangsfrist von zwei Jahren vor, um Bauern und Bäuerinnen die Möglichkeit zu geben, sich auf die veränderte Lage einzustellen. Die AbL warnte davor, anstelle von Glyphosat giftigere Stoffe zuzulassen und einzusetzen. Die EU-Risikobewertung von Pestiziden müsse grundlegend reformiert werden. [vef]Presseinfo Europäisches Parlament - Glyphosat: Parlament fordert endgültiges Verbot des Herbizids bis Ende 2022 (24.10.2017)Europäische Kommission: Read-out of the College meeting of 24/10/2017 (Video)Donaukurier: Mehr als 1,3 Millionen Unterzeichner von Petition gegen Glyphosat (23.10.2017)EURACTIV.de: Ändert Italiens Regierung die Haltung zu Glyphosat? (23.10.2017)AbL e.V.: Bauern gegen Glyphosat (23.10.2017)NABU: Weitere Händler listen Glyphosat aus (23.10.2017)YouTube: A herbicide-free future. Considering solutions across Europe. (18.10.2017)Infodienst - EU-Abgeordnete: Glyphosat ab 2020 verbieten (19.10.2017)Dossier: Gentechnik & Glyphosat ("Roundup")