Vor einem Jahr hat Kenias Präsident ein zehnjähriges Moratorium beendet und per Dekret erlaubt, gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen zu importieren und anzubauen. Da diese Entscheidung Umwelt und Gesundheit gefährde und die kenianische Verfassung verletze, klagten Agrar- und Juristenverbände dagegen vor verschiedenen Gerichten. Das Umweltgericht Nairobi gab der Regierung Ruto vergangene Woche recht. Das endgültige Urteil des Hohen Gerichtshofs (High Court) steht aber noch aus.
Bei einem Gericht für Land- und Umweltfragen (Environment and Land Court) hatte die Anwaltsvereinigung LSK (Law Society of Kenya) im Januar Klage gegen den Kabinettsbeschluss vom 3. Oktober 2022 eingereicht, das Verbot des Anbaus und der Einfuhr von gv-Mais aufzuheben. Sie verwies auf die Risiken, die gv-Pflanzen wie herbizidresistenter Mais für Gesundheit und Umwelt darstellen würden. Auch die Ernährungskultur und die kleinbäuerliche Landwirtschaft in Kenia sah die LSK dadurch in Gefahr, da gentechnisch veränderte Pflanzen sich unbemerkt in heimische Sorten einkreuzen könnten. Aus diesen Gründen hätten vor der Entscheidung, das Gentechnik-Moratorium aufzuheben, ihre ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen abgeschätzt und die Öffentlichkeit beteiligt werden müssen, argumentierte die Vereinigung.
Richter Oscar Angote sah das anders. Ihm sei kein Gesetz genannt worden, das eine öffentliche Beteiligung bei einem solchen Regierungsbeschluss verlangen würde, schrieb er in seinem Urteil. Auch 2012 seien Import und Anbau von gv-Pflanzen verboten worden, ohne dass die Öffentlichkeit gefragt worden sei. Für die behaupteten Gefahren für Umwelt und Gesundheit hätten die Kläger keine Belege vorgelegt. Auch müssten die Menschen in Kenia vor solchen Risiken keine Angst haben. Es gebe „einen rechtlichen und institutionellen Rahmen, der für eine strenge Bewertung von GVO (gentechnisch veränderten Organismen, Anm. d. Red.) geschaffen worden sei“, begründete das Angote.
Die nationale Behörde für biologische Sicherheit sei in der Lage, riskante Lebensmittel zu identifizieren und ihre Sicherheit angemessen zu bewerten. Die Umweltbehörde NEMA prüfe die Umweltauswirkungen von gv-Pflanzen, die freigesetzt werden sollen. Es sei nicht wahr, dass die zuständigen Behörden sich verschworen hätten, um die Bevölkerung den in der Klage erwähnten Katastrophen auszusetzen, heißt es im Urteil. Die betroffenen Kleinbauern sehen das anders: Den Behörden sei nicht zu trauen, sagte Cidy Otieno der „Voice of America“. Der nationale Koordinator des Kleinbauernverbandes Kenya Peasants League erinnerte an ein gv-Produkt aus Südafrika, das länger als ein Jahr ohne Zulassung illegal in Kenia verkauft worden sei. Die Kenianer seien gegen gv-Produkte schlecht geschützt.
Deshalb wollte die Anwaltsvereinigung LSK mit ihrer Klage auch Pläne der Regierung stoppen, tonnenweise gentechnisch veränderten Bt-Mais als Saatgut an Kenias Bauern zu verteilen. LSK argumentierte vor dem Umweltgericht, dass staatliche Stellen dieses Saatgut ohne die notwendigen Risikobewertungen und Zulassungen in Verkehr bringen würden. Dass der Staat das tun wolle, hätten ihm die Kläger aber nicht belegen können, monierte Richter Angote und wies die Klage in diesem Punkt als „verfrüht“ zurück. Diese Passage aus dem Urteil lässt sich auch als vorsorglicher Hinweis an die Behörden und das beteiligte staatliche Forschungszentrum Kalro verstehen, dass sie das gesetzlich vorgesehene Zulassungsverfahren für gv-Pflanzen weiterhin einhalten müssen. Seit das Verbot 2022 aufgehoben wurde, habe Kenia noch keine gv-Pflanzen importiert, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.
Obwohl sich die LSK noch nicht dazu geäußert hat, ob sie gegen dieses Urteil des Umweltgerichts Berufung einlegen will, berichteten mehrere kenianische und internationale Medien bereits, Import und Anbau von gv-Pflanzen seien in Kenia jetzt freigegeben. Dabei steht die Entscheidung in einem zweiten Prozess noch aus: Die Kleinbauernbewegung Kenya Peasants League (KPL) hatte beim High Court geklagt, weil die Aufhebung des Gentechnik-Moratoriums gegen die kenianische Verfassung verstoße. Wie der Infodienst berichtete, hatte High Court-Richterin Mugure Thande deshalb Import und Anbau von gv-Pflanzen im April 2023 per einstweiliger Verfügung weiterhin für verboten erklärt. Der Versuch der kenianischen Regierung, diese Verfügung zu kippen, scheiterte im August. Pelum Kenya, ein Netzwerk für ökologische Landwirtschaft, versicherte dem Infodienst Gentechnik auf Anfrage, dass diese einstweilige Verfügung des höhergestellten High Court gv-Mais in Kenia weiter verbiete, bis dieser ein endgültiges Urteil fälle. Das aktuelle Urteil des Umweltgerichts in Nairobi, das nur Teilaspekte bewertet habe, ändere daran nichts. Für die Entscheidung des High Court in der Hauptsache ist noch kein Termin bekannt. Wie KPL-Koordinator Otieno der „Voice of America“ sagte, rechnet er damit noch in diesem Jahr.
Neben den beiden Prozessen in Kenia beschäftigt das Importverbot auch den Ostafrikanischen Gerichtshof in Tansania (East African Court of Justice). Dort haben Slow Food International und die ungandische Organisation Centre for Food and Adequate Living Rights gegen Präsident Rutos Dekret geklagt. Aus ihrer Sicht verstößt es gegen die Regeln der Ostafrikanischen Gemeinschaft. Diese sieht den freien Warenverkehr zwischen ihren Mitgliedern vor. Doch Uganda und Tansania lehnen gv-Lebensmittel ab. Das Portal „Voice of America“ zitierte einen kenianischen Politikdozenten mit den Worten, Einfuhr und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in der Region gefährde die Handelsbeziehungen zwischen Kenia und seinen Nachbarn, da gentechnikfreie Ware und Felder unbemerkt verunreinigt werden könnten. Der ostafrikanische Gerichtshof wacht über das Gemeinschaftsabkommen und soll deshalb klären, inwieweit ein Mitgliedsland einseitig Import und Anbau von gv-Pflanzen zulassen darf. [lf/vef]