Herbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat töten nicht nur Unkraut, sondern auch Insekten. Das zeigt eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und des Bundesamtes für Naturschutz. Dieses Risiko wurde bei der Zulassung der Spritzmittel bisher nicht betrachtet. Die Autor:innen der Studie sprechen deshalb von „einer Lücke in der behördlichen Risikobewertung, die dringend geschlossen werden sollte“.
Die Forschenden hatten für ihre Studie das Herbizid Roundup WeatherMax von Bayer benutzt und die Wirkung auf Florfliegen untersucht. Das sind wichtige Nützlinge, weil ihre Larven Blattläuse, Spinnmilben oder Eier von Schadinsekten fressen. Was aber passiert, wenn dieses Futter samt den Pflanzen, an denen es haftet, mit Glyphosat besprüht wurde? Das ahmten die Wissenschaftlerinnen nach, indem sie Eier von Mehlmotten mit einer Pestizidlösung besprühten, deren Glyphosatgehalt deutlich unterhalb der im Ackerbau empfohlenen Konzentration lag. Die Florfliegenlarven, die diese Eier über längere Zeit fraßen, entwickelten sich nicht weiter und starben. Dabei nahm die Rate der toten Tiere mit der Konzentration des Glyphosats im Futter zu.
Die Autor:innen schreiben, dass ihre Studie zum ersten Mal „schwerwiegende direkte toxische Wirkungen“ eines glyphosatbasierten Herbizids (GBH) auf Insekten nachgewiesen habe, die das Spritzgift mit der Nahrung aufnahmen. Denn bisher sei dieser Effekt nicht untersucht worden. Für die Zulassung eines Herbizids würden lediglich Insekten auf besprühte Oberflächen gesetzt, um zu prüfen, welche Wirkung ein Hautkontakt mit dem Spritzmittel habe.
Doch im Freiland sei eine Aufnahme von Stoffen über die Nahrung, ähnlich wie im Versuchsdesign, relevant, sagte Angelika Hilbeck von der ETH Zürich, die das Projekt leitete. Ihr Fazit: „Die Gefahr, die von der direkten insektiziden Wirkung von GBH nach oraler Aufnahme ausgeht, ist für die Umweltsicherheit von großer Bedeutung.“ Denn ähnliche Wirkungen auf andere Insektenarten könnten nicht ausgeschlossen werden, heißt es in der Studie. Durch den massiven Einsatz sei Glyphosat allgegenwärtig und könne in praktisch allen Umweltbereichen nachgewiesen werden. „In Agrarökosystemen, aber auch in natürlichen Lebensräumen, sind GBH zu einer bedeutenden Kontaminante in Nahrungsnetzen geworden“, schreiben die Autor:innen. Dadurch würden auch Raubinsekten auf Ackerflächen über ihre Beute oder andere kontaminierte Nahrungsmittel Glyphosat aufnehmen.
Auch Sabine Riewenherm, die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), sorgt sich, dass andere Insekten als die Florfliege durch glyphosatbasierte Herbizide geschädigt werden und dadurch die Biodiversität beeinträchtigt werden könnte. „Das BfN sieht hier weiteren dringenden Forschungsbedarf, um das Risiko für Insekten und generell die biologische Vielfalt zu prüfen“, sagte Riewenherm.
Jutta Klasen, die im Umweltbundesamt den Fachbereich Chemikaliensicherheit leitet, wertete die Ergebnisse der Studie als weiteren Beleg dafür, dass auch zugelassene Pestizide starke Nebenwirkungen auf den Naturhaushalt hätten. „Deshalb ist es so wichtig, den Anteil der Agrarflächen zu erhöhen, die ohne Pestizide bewirtschaftet werden und die erst dadurch wieder zu Lebensräumen für Insekten, Ackerkräuter und Feldvogelarten werden“, sagte Klasen.
Die Deutsche Bahn geht bei ihren Gleisflächen mit gutem Beispiel voran: Wie bereits angekündigt, werde sie im Lauf des Jahres auf glyphosathaltige Spritzmittel verzichten, mit denen sie bislang die Gleisdämme frei hielt von Bewuchs, teilte das Unternehmen mit. Im Februar hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittesicherheit die natürliche und schnell abbaubare Pelargonsäure zu diesem Zweck zugelassen. Sie kann aus dem Öl von Raps oder Disteln hergestellt werden. Der Wirkstoff löst die Wachsschicht der Blätter besprühter Pflanzen auf und lässt sie dadurch verwelken. [lf]