Trotz Ukraine-Kriegs wird in diesem Jahr mehr gentechnikfreie Soja in Europa geerntet werden als 2021, prognostizierte der europäische Verein Donausoja vergangene Woche in Frankfurt. Auch gentechnikfreies Rapsfutter sei ausreichend vorhanden, versicherten unisono Verbände der Lebensmittel- und Landwirtschaft. Zuvor hatte der Deutsche Raiffeisenverband mehrfach gewarnt, dass Unternehmen angesichts von Futterengpässen aus der „Ohne Gentechnik“-Produktion würden aussteigen müssen. Nach Hochrechnungen von Donausoja, die gentechnikfreien Sojaanbau zertifizieren, werden die Futterbohnen 2022 auf dem europäischen Subkontinent - einschließlich Ukraine und europäischem Teil Russlands - auf zehn bis 15 Prozent mehr Ackerfläche gepflanzt werden als im Vorjahr. Damit könnten in der Region in diesem Jahr rund sieben Millionen Tonnen gentechnikfreie Sojabohnen geerntet werden, schätzt Präsident Matthias Krön. 2021 seien es noch 6,5 Millionen Tonnen gewesen. Mit diesem Zuwachs könnten mögliche Ernte- oder Lieferrückgänge aus der Ukraine, die bisher 10 Prozent des deutschen Bedarfs an gvo-freier Soja deckte, kompensiert werden, beruhigt Donausoja. Ähnlich wie Raps dient Soja als Eiweißfutter für Nutztiere. Und nur wenn die Tiere ausschließlich gentechnikfreies Futter gefressen haben, dürfen Lebensmittel wie Milchprodukte mit dem „Ohne Gentechnik“-Siegel ausgezeichnet werden. Wegen des Ukraine-Krieges war die Sorge aufgekommen, dass solches Futter knapp werden könnte. Doch selbst im Anbauland Ukraine stehen die Zeichen auf Zuwachs. Wie ein Berater des ukrainischen Agrarministers vergangene Woche mitteilte, seien dort bereits auf einer Million Hektar Ackerfläche Sojabohnen ausgesät worden. Nach einer Erhebung des Ministeriums sind das rund 77 Prozent der Vorjahresfläche. Berater Vitaly Kushnir, kaufmännischer Direktor eines Agrarunternehmens, geht davon aus, dass die genügsamen Hülsenfrüchte im Endspurt der Aussaat bis Ende Mai noch eine Anbaufläche von 1,5 Millionen Hektar erreichen können. Das wären 15 Prozent mehr als 2021. Da in der Ukraine illegal auch Gentechnik-Soja angebaut wird (der Infodienst berichtete), rechnet Donau-Soja 2022 mit einer Gesamternte von 9,5 bis 10,5 Millionen Tonnen der eiweißhaltigen Bohnen. Auch beim gentechnikfreien Raps zeigen die Prognosen keinen Mangel – im Gegenteil: Die EU-Kommission sieht die (gentechnikfreie) Rapsernte in Europa mit 18,3 Millionen Tonnen auf Fünf-Jahres-Hoch. Für Deutschland rechnet der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) selbst für 2022 mit einer Rapsernte von 3,8 Millionen Tonnen und damit neun Prozent mehr als im Vorjahr. „Schon damit wären mögliche Rückgänge beim Import aus der Ukraine rechnerisch kompensiert“, erläutert der Geschäftsführer des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG), der das Ohne Gentechnik-Siegel vergibt. Der Anteil der Raps-Importe aus der Ukraine betrug nach VLOG-Angaben ebenso wie bei Soja zuletzt nur etwa 10 Prozent der Gesamtmenge an gv-freier Rapssaat, die in Deutschland verarbeitet wurde. Und der ukrainische Regierungsberater erwartet auch beim Raps, dass die übliche Erntemenge trotz Kriegsbedingungen erreicht werden kann. Trotz alledem wandte sich der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) seit März bereits mehrfach an die Öffentlichkeit, um vor Engpässen bei gentechnikfreiem Futter zu warnen. Zwar hält der DRV-Präsident eine seriöse Prognose für die Verfügbarkeit von gentechnikfreien Futtermitteln in den kommenden Monaten nicht für möglich. Dennoch schrieb Franz-Josef Holzenkamp an zwei Einzelhandelsverbände, die Versorgung mit non-GMO-Futtermitteln sei nicht flächendeckend gesichert. In welchen Regionen dieses Futter bereits jetzt nicht mehr verfügbar sein soll, wie er schreibt, konnte die DRV-Sprecherin nicht sagen. Den Mitgliedsunternehmen riet Holzenkamp, das „Ohne-Gentechnik“-Siegel zu „überdenken“. Das Kalkül des DRV sei „offensichtlich, Handel und Lebensmittelwirtschaft zu verunsichern, um die Nachfrage gezielt zu senken und damit letztendlich auch das Angebot, mit dem Ziel, ‚Ohne Gentechnik‘ zu schwächen“, kritisiert VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting. Und die Verunsicherung scheint zu wirken. Wie das Deutsche Milchkontor (DMK) dem Infodienst Gentechnik bestätigte, hätten bereits einige besorgte Bauern gefragt, was zu tun wäre, falls sie eines Tages kein gentechnikfreies Futter mehr bekommen sollten und damit ihre Vertragspflichten nicht mehr erfüllen könnten. Wie viele Molkereien hat auch das DMK den Großteil seiner Milchlieferanten verpflichtet, die Kühe gentechnikfrei zu füttern, weil die Lebensmittelhändler die entsprechende Nachfrage bedienen wollen. Als „rein vorsorgliche Maßnahme“, so betonte ein DMK-Sprecher, habe man den Bauern jetzt angeboten, diese Vertragspflicht bei Bedarf vorübergehend auszusetzen. Voraussetzung: Sie legen eine Bestätigung des Futtermittelhändlers vor, dass kein gvo-freies Futter zu bekommen ist. Der Preiszuschlag für VLOG-Qualität, den die Landwirte üblicherweise bekommen, entfalle dann. „Ob und in welchem Umfang unser vorsorgliches Angebot zum Tragen kommt, wird sich erst zeigen müssen“, so der Sprecher. „Und selbstredend werden wir dem Lebensmitteleinzelhandel auch die vertraglich vereinbarte Milch nach VLOG-Standard liefern.“ Zu den Kosten der Bauern aufgrund steigender Rohstoffpreise wollte er sich nicht äußern. Das tat dafür die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft: Bisher seien die höheren Kosten gentechnikfreier Milch kaum vergütet worden, kritisierte Ottmar Ilchmann, Milchsprecher der AbL. „Jetzt können und müssen die Molkereien die Marktsignale nutzen, um höhere Preise durchzusetzen und Bäuerinnen und Bauern für ihre Qualitätsmilch angemessen zu bezahlen.“ Am nötigen gvo-freien Futter mangele es jedenfalls nicht. 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