Aus Sicht der Verbände hätte Glyphosat unter anderem deshalb nicht erneut genehmigt werden dürfen, weil Risiken für Biodiversität – vor allem blütenbestäubende Insekten - und Gewässer nicht sicher ausgeschlossen werden konnten, heißt es in der Pressemitteilung. „Bienen und Schwebfliegen, die zweitwichtigsten Blütenbestäuber, sammeln Nektar, der mit Glyphosat verunreinigt sein kann, und nehmen auch Tröpfchen von Glyphosat Spritzbrühe auf“, erläutert Thomas Radetzki, Vorstand der Aurelia-Stiftung. „Der Gesetzgeber ist dazu verpflichtet, mögliche Schäden für die Umwelt und die menschliche Gesundheit vorsorglich abzuwenden“, ergänzt DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Er macht den „massiven Lobbydruck der Pestizidindustrie“ dafür verantwortlich, dass das Totalherbizid trotzdem erneut zugelassen wurde.
Daher hatten die Verbände im Januar zunächst Widerspruch eingelegt gegen die Entscheidung der EU-Kommission vom November 2023, den Herbizidwirkstoff Glyphosat bis 2033 in der EU zu erlauben. Diesen Widerspruch wies die Kommission im April zurück. Sie hob hervor, dass die EU-Mitgliedstaaten glyphosathaltige Spritzmittel auf ihre Risiken überprüfen müssen, bevor sie deren Einsatz in ihren Ländern erlauben. Außerdem könnten sie Auflagen verhängen, um Umwelt und Gesundheit zu schützen. Auch den Hinweis, dass ihre eigene Lebensmittelbehörde EFSA Datenlücken identifiziert hatte, die eine abschließende Risikobewertung von Glyphosat erschwerten, ließ die EU-Kommission nicht gelten. Die Hersteller würden mit der Verlängerungsverordnung von 2023 bereits aufgefordert, fehlende Daten nachzuliefern. Im Übrigen könnten auch die Mitgliedstaaten solche Daten von den Spritzmittelherstellern verlangen.
Die Kläger halten das aber nicht für ausreichend. „Die EU-Kommission darf sich ihrer Verantwortung hier nicht einfach entziehen und darauf setzen, dass die EU-Mitgliedstaaten eigene Anwendungsbeschränkungen erlassen“, kritisiert Jürgen Resch. Denn wie erfolgreiche Spritzmittelklagen der DUH vor deutschen Gerichten zeigen, ist auch die Zulassung durch das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) nicht immer ein zuverlässiges Korrektiv. So hat nach Angaben der DUH erst ein Prozess vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig dazu geführt, dass das BVL das glyphosathaltige Pestizid Roundup PowerFlex der Monsanto Agrar Deutschland GmbH nicht wie geplant über das Jahresende hinaus weiter zulassen wird. Wie das BVL dem Infodienst Gentechnik bestätigte, ist diese Entscheidung am 13. November gefallen.
Die Aurelia Stiftung geht unterdessen mit einer weiteren Glyphosat-Klage gegen die EU-Kommission vor. Sie liegt seit September 2023 beim EU-Gericht in Luxemburg und richtet sich gegen die vorläufige Verlängerung der Glyphosat-Genehmigung vom Dezember 2022. Diese war nur für ein Jahr erlassen worden, da die Lebensmittelbehörde EFSA mehr Zeit brauchte, um das Totalherbizid zu prüfen. Obwohl diese vorläufige Zulassung am 15.12.2023 auslief, hält die Aurelia-Stiftung diese Klage als Musterverfahren aufrecht, weil sie eine ganz grundsätzliche Frage geklärt wissen möchte, die über den Wirkstoff Glyphosat hinausgeht: Dürfen Behörden – wie es gängige Praxis ist – die Zulassung von Pestizidwirkstoffen quasi automatisch verlängern, weil ihre Prüfung bei Ablauf der Zulassungsfrist noch nicht abgeschlossen ist? Sei es, weil Personalressourcen oder Unterlagen der Hersteller fehlten. „Der Industrie wird dadurch gestattet, die vorgeschriebene Aktualisierung der Risikoüberprüfung alter Zulassungen jahrelang zu verzögern“, kritisiert die Aurelia-Stiftung. Dem will sie mit ihrer Klage ein Ende setzen. [vef]