Aktuelles

Russland setzt auf Genome Editing

Russland will mit einem staatlich unterstützten Forschungsprogramm neue gentechnische Verfahren fördern und damit hergestellte Produkte vereinfacht zulassen. Bisher hat das Land den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verboten.

Doch nun wolle die russische Regierung 1,5 Milliarden Euro in die Anwendung neuer gentechnischer Verfahren wie CRISPR/Cas investieren, berichtete die Zeitschrift Nature. Ziel des Programms sei es, bis 2020 zehn Arten von gen-editierten Pflanzen und Tieren zu entwickeln – und weitere 20 bis 2027.
Im Mittelpunkt des Programms stehen Gerste, Weizen, Zuckerrüben und Kartoffeln. Laut Nature gibt es dazu an mehreren russischen Forschungsinstituten bereits Projekte. Sie zielen darauf ab, Kartoffel und Zuckerrüben resistenter gegen Krankheitserreger zu machen. Bei Weizen und Gerste sollen Verarbeitungseigenschaften verbessert und der Nährwert erhöht werden. Der Artikel zitiert auch mehrere, teils anonyme Stimmen, die bezweifeln, ob das Programm angesichts der schlechten Arbeitsbedingungen in der russischen Gentechnik-Forschung und der überbordenden Bürokratie tatsächlich die gewünschten Erfolge bringen wird.

Russland hatte 2016 nach einem mehrjährigen Anbau-Moratorium ein Gesetz erlassen, das den Anbau gentechnisch veränderter Organismen (GVO) verbietet. Es beschreibt GVO als Veränderung, die nicht durch natürliche Prozesse erreicht werden kann. Laut Nature definiert das Dekret, mit dem das Forschungsprogramm etabliert wurde, Genome Editing Verfahren wie CRISPR/Cas als vergleichbar mit konventioneller Züchtung. Dabei entspreche die Wortwahl derjenigen des US-Landwirtschaftsministeriums, wonach genom-editierte Pflanzen, die theoretisch auch mit konventioneller Züchtung hergestelllt werden könnten, nicht reguliert werden sollen. [lf]Nature: Russia joins in global gene-editing bonanza (14.05.2019)Heise: Es CRISPRt in Russland (21.05.2019)

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Gentech-Pilz produziert tödliches Spinnengift

US-Forscher haben einen Pilz gentechnisch so verändert, dass er ein Spinnengift produziert und damit Malaria-Moskitos ausrottet. Doch das Gift ist auch für den Menschen tödlich.

Die australische Trichternetzspinne gehört zu den giftigsten Spinnen der Welt. Ihr Biss kann für einen Menschen tödlich sein – falls er nicht schnell genug das Gegenmittel gespritzt bekommt. Forscher der Universität von Maryland haben das Erbgut eines Pilz der Gattung Metarhizium pingshaense so verändert, dass er das Gift der Spinne produziert. Der Pilz befällt natürlicherweise Moskitos und tötet sie langsam. Durch die gentechnische Veränderung produziert er das Spinnengift, sobald er sich in der Blutbahn des Insekts befindet und tötet es damit sofort. Die US-Wissenschaftler erprobten die Wirkung in Burkina Faso in Westafrika zusammen mit heimischen Wissenschaftlern. Sie bauten dazu unter einem überdimensionalen moskitodichten Netz ein kleines Dorf nach, mit Moskitos, aber ohne Menschen. Sie imprägnierten Baumwolltücher, auf denen Moskitos gerne rasten, mit dem Gentech-Pilz. Nach 45 Tagen lebten von 1500 Moskitos und ihrem Nachwuchs noch 13 Tiere.
Die Forscher berichteten, sie hätten den gentechnisch veränderten (gv) Pilz in Maryland and Burkina Faso an anderen Insekten getestet. Diese habe er nicht geschädigt. Studienleiter Brian Lovett sagte gegenüber dem Magazin Atlas Obscura, es werde mindestens noch fünf bis zehn Jahre dauern, bis der Pilz in der Malariabekämpfung eingesetzt werden könne. Als nächste sei es notwendig, mit Regulatoren und den Menschen vor Ort zu reden, um die Erlaubnis für Freilandversuche zu erhalten.
André Leu, der frühere Präsident des weltweiten Bio-Dachverbands IFOAM, sieht den Versuch kritisch. Einmal ausgebracht könne der gv-Pilz nicht mehr rückgeholt werden. Zwar sei der Pilz überlicherweise harmlos für Menschen. Doch was passiere, wenn die Spinnengift-Gene durch horizontalen Gentransfer auf andere Arten übertragen würden, fragt sich Leu? Auch gebe es keine Garantie dafür, dass sich der Pilz nicht weiterentwickle und dann auch Menschen angreife. [lf]University of Maryland: Transgenic Fungus Rapidly Killed Malaria Mosquitoes in West African Study (30.05.2019)Atlas Obscura: Inside Burkina Faso’s Mosquito Dome, Where Venomous Fungus Is Put to the Test (14.06.2019)Österreichischer Rundfunk: Gentechpilz tötet Malariamoskitos (31.05.2019)

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Europawahl: Parteien antworten auf Fragen zur Gentechnik

An diesem Sonntag, dem 26. Mai, können Sie das nächste Europäische Parlament wählen. Dabei entscheiden Sie mit darüber, ob gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen und Tiere künftig auf deutschen Äckern und Tellern landen werden. Weil die Wahlprogramme zum Thema Gentechnik teils etwas dünn sind, haben zehn Verbände aus Landwirtschaft, Umwelt und Gesellschaft einige Parteien direkt angeschrieben.
Am weitesten unter den Parteien geht die Linke: Sie lehnt Agrogentechnik grundsätzlich ab. Daher fordert sie von der Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, die Agro-Gentechnik in der Europäischen Union (EU) komplett zu verbieten. Zwischen Zulassungen zum Anbau und Handel zu unterscheiden, macht für die Linke keinen Sinn, da Risiken und Verunreinigungen überall drohen. Das so genannte „opt-out“, durch das in der EU zugelassene GVO in einzelnen Mitgliedsstaaten verboten werden können, hält sie für „ein unmoralisches Angebot“.
SPD und Bündnis 90/Die Grünen wollen ebenfalls, dass in Zukunft in ganz Europa keine gv-Pflanzen angebaut werden. Das Vorsorgeprinzip, das eine umfassenden Risikobewertung neuer Entwicklungen verlangt, soll weiter einen hohen Stellenwert genießen. Neue gentechnische Methoden wie Crispr-Cas9 sollen als Gentechnik eingestuft bleiben, wie das der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Juli 2018 entschieden hat. Das bedeutet unter anderem, dass Produkte aus solcherart veränderten Pflanzen klar gekennzeichnet werden müssen. Grüne und Linke plädieren dafür, ein internationales Register einzurichten, das solche Pflanzen erfasst.
Die CDU/CSU möchte dagegen die Chancen, die neue Züchtungstechnologien wie Crispr-Cas9 ihrer Ansicht nach bieten, prüfen und abwägen. Anders als der EuGH will sie zwischen transgener Gentechnik und klassischen beziehungsweise modernen Züchtungstechnologien wie Crispr-Cas9 rechtlich klar trennen. Dazu will sie „gegebenenfalls“ nach der Wahl das EU-Gentechnikrecht ändern. Zugleich spricht sie sich aber dafür aus, standardisierte und auf EU-Ebene harmonisierte Verfahren für den schwierigen Nachweis der Produkte moderner Technologien zu entwickeln.
Eine besondere Art der gentechnischen Veränderung sind die „gene drives“, auch „Vererbungsturbo“ genannt. Diese Methode greift in die natürliche Vererbung ein mit dem Ziel, bestimmte Eigenschaften schnell und umfassend in einer Population zu verbreiten. SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen verweisen auf die unkalkulierbaren ökologischen Risiken dieser Technik und sprechen sich für ein Moratorium aus. CDU/CSU wollen prüfen, ob ein Moratorium aus ihrer Sicht notwendig ist. Anderenfalls wollen sie für „gene drives“ spezielle Regeln erlassen.
Eine Antwort der FDP lag dem Infodienst Gentechnik nicht vor. Zu den zehn fragenden Verbänden gehören der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Greenpeace, Demeter und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. [vef]Antworten der Linken zur Gentechnik bei der Europawahl (ohne Datum)Antworten von Bündnis90/Die Grünen auf die Gentechnikfragen zur Europawahl (ohne Datum)Antworten der SPD auf die Gentechnikfragen zur Europawahl (17.4.2019)Antworten von CDU und CSU auf die Gentechnikfragen zur Europawahl (10.4.2019)Infodienst – Europawahl und Gentechnik: Ein Blick in die Wahlprogramme (01.04.2019)top agrar online: Alle gegen Genmanipulation – alle? (9.5.2019 – Video einer Diskussionsveranstaltung)

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Drittes Glyphosat-Urteil: Bayer muss Krebskranken mehr als 1,8 Milliarden Euro bezahlen

Ein Gericht des US-Staates Kalifornien hat im dritten Glyphosat-Prozess die Bayer-Tochter Monsanto zu umgerechnet 1,83 Milliarden Euro Schadenersatz verurteilt. Es ist der höchste Strafschadenersatz der drei bisher entschiedenen Gerichtsverfahren. Der Konzern will in Berufung gehen.

Geklagt hatten Alva und Alberta Pilliod, ein Rentnerehepaar aus Livermore, einer Kleinstadt 70 Kilometer östlich von San Francisco. Beide sind Mitte 70 und an Lymphdrüsenkrebs erkrankt. Für diesen machen sie das jahrzehntelang von ihnen benutzte Monsanto-Herbizid Roundup verantwortlich. Die Jury folgte ihrer Argumentation und sprach ihnen 49 Millionen Euro Schadenersatz für ihre persönlichen Nachteile (Arztkosten, Schmerzensgeld und ähnliches) zu. Die Geschworenen kamen auch zu dem Schluss, der Hersteller sei für diese Krebserkrankungen haftbar zu machen. Sie fanden außerdem, Monsanto habe nicht ausreichend vor den Risiken der Produkte gewarnt und mit „Arglist, Unterdrückung oder Betrug“ gehandelt. Deshalb verhängten sie zusätzlich einen so genannten Strafschadenersatz in Höhe von 1,78 Milliarden Euro. Auch für US-Prozesse ist dies eine erstaunlich hohe Summe, die vermutlich später noch nach unten korrigiert werden wird. Dennoch ist der dritte verlorene Prozess ein deutliches Signal für die noch anstehenden 13.400 Klagen gegen Monsanto. Allein vor dem Gericht in Oakland, in dem der Fall des Ehepaars Pilliod verhandelt wurde, sind 250 Klagen anhängig.
„Das heutige Urteil hätte nicht deutlicher ausfallen können“, sagte Klägeranwalt Brent Wisner. Bayer müsse sein Verhalten ändern, so könne der Konzern nicht weitermachen, appellierte er. Bayer kündigte an, Rechtsmittel einzulegen. Der Konzern hält das Herbizid Glyphosat nach wie vor für sicher und macht für die Krebserkrankungen der beiden Kläger umfangreiche Vorerkrankungen verantwortlich. Das Urteil dürfte den Druck auf den Konzern erhöhen, in Vergleichsverhandlungen einzutreten, die der Richter im zweiten Glyphosatprozess bereits Mitte April vorgeschlagen hatte. [lf]U.S. Right to Know: Monsanto Ordered to Pay $2 Billion to Cancer Victims (13.05.2019)Frankfurter Allgemeine Zeitung: Milliardenurteil gegen Bayer (14.05.2019)Bayer AG: Entscheidung der Jury in Glyphosat-Prozess im US-Bundesstaat Kalifornien (13.05.2019)Infodienst: US-Gericht: Bayer soll mit Glyphosat-Klägern Vergleich schließen (12.04.2019)

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Europas Behörden können neue Gentechnik nicht kontrollieren

Würde ein Schiff im Hamburger Hafen illegal Sojaschrot aus den USA entladen, dessen Bohnen mit der neuen gentechnischen Methode TALEN verändert wurden, die deutschen Behörden könnten das derzeit nicht feststellen. Dass sie wegen fehlender Nachweismethoden ihren Kontrollpflichten nicht gerecht werden können, darauf wiesen einige Länder Europas nach Insiderinformationen bei einem Arbeitstreffen Ende April hin.
Deshalb könnten sie auch nicht in allen Fällen verantwortlich gemacht werden, wenn es ihnen nicht gelänge, den Import geneditierter Pflanzen ohne die gesetzlich vorgeschriebene Zulassung zu verhindern. Die Soja der Firma Calyxt, die US-Behörden nicht als gentechnisch verändert (gv) einstufen, dürfte nach europäischem Recht nur mit einer Genehmigung für gv-Futtermittel importiert werden.
Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Sommer 2018. Danach gelten auch für Pflanzen (und Tiere), die mit neuen gentechnischen Methoden wie TALEN oder Crispr-Cas verändert wurden, die Regeln für Gentechnik. Das heißt, sie müssen auf Risiken geprüft, genehmigt und gekennzeichnet werden sowie nachverfolgbar sein. Auch zehn Monate nach diesem rechtskräftigen Urteil wird in Deutschland und Europa immer noch über die Konsequenzen diskutiert. Nächster Termin dafür ist ein Treffen der europäischen Agrarminister kommende Woche in Brüssel.
In Deutschland streiten sich wie üblich das Agrar- und das Umweltressort: Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) versicherte diese Woche im Bundestag erneut, dass sie die Ansicht des EuGH teilt. Einmal ins Freiland entlassen, seien gentechnische Verände­rungen nie wieder zurückzuholen. Daher müssten ihre Risiken sorgfältig geprüft werden. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) plädierte dagegen bei einer Veranstaltung dafür, offen für neue Technologien der Pflanzenzüchtung zu sein. Von Anfang an machte sie keinen Hehl daraus, dass sie das EuGH-Urteil ablehnt. Die Diskussion der Bundesregierung zu den Konsequenzen aus dem Richterspruch sei noch nicht abgeschlossen, teilte eine Sprecherin des Umweltministeriums dem Infodienst gestern auf Anfrage mit. Und wenn keine Einigkeit erzielt wird, kann die deutsche Agrarministerin sich nächste Woche in Brüssel auch nicht positionieren.
Sie kann offenbar nicht einmal Fragen beantworten. „Die Abstimmung der im Vorfeld von der Kommission gestellten Fragen zur Implementierung des EuGH-Urteils zu Mutagenesemethoden innerhalb der Bundesregierung ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen“, beschied das Agrarministerium diese Woche eine Anfrage der Grünen. Wie aus gut informierten Kreisen verlautete, haben die deutschen Bundesländer mitgeteilt, dass sie sich derzeit nicht in der Lage sehen, Genveränderungen, die mit neuen Technologien erzielt wurden, nachzuweisen.
Solche Nachweismethoden können dem Vernehmen nach jedoch entwickelt werden, wenn den Behörden Referenzmaterial der veränderten Pflanzen und Informationen über die Genveränderung zur Verfügung stehen. Die Mitglieder Arbeitsgruppe vom April wünschen sich daher eine Datenbank, in die alle europäischen Staaten ihre Informationen über sogenannten genomeditierte Pflanzen einspeisen. Auch die Daten der Patentämter, bei denen solche Pflanzen häufig angemeldet werden, sollen genutzt werden. Es gibt für die europäischen Agrarminister also einiges zu tun.
Dass die Bundesregierung dabei wenig handlungsfähig ist, wird von der Opposition heftig kritisiert. Das Urteil des EuGH sei klar, der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD auch, meint der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner. „Agrarministerin Klöckner stellt den vermeintlichen Konsens aber massiv in Frage“, monierte der Gentechnikexperte. „Nachdem ihre Umwelt-Kollegin Schulze jetzt wenigstens eindeutig Stellung gegen Crispr bezogen hat, hat Klöckner definitiv kein Mandat, sich in Brüssel für eine Aufweichung der Gentechnik-Regeln einzusetzen.“ Im Übrigen sei es befremdlich, dass die EU-Staaten jetzt in Hinterzimmer-Meetings und Ministerräten meinen darüber beraten zu müssen, wie sie mit einem Urteil ‚umgehen‘ sollen, das doch vollkommen klar ist.
Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft kritisierte: „Gentechnik durch die Hintertür ist höchst undemokratisch. CRISPR & Co. sind noch sehr junge Techniken, mit denen es keinerlei Erfahrungen auf dem Acker gibt, geschweige denn eine systematische Risikoprüfung“, erklärte Gentechnik-Expertin Annemarie Volling. Die Gentechnik-Konzerne und deren Lobbyisten wollten aber mit allen Mitteln verhindern, dass Crispr & Co. gekennzeichnet und reguliert werden, um ungestört ihre Profitinteressen durchsetzen zu können. [vef]Europäischer Rat: Rat „Landwirtschaft und Fischerei“, Tagesordnung für den 14.05.2019Press background: Agriculture and Fisheries Council (7. Mai 2019)Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 19/79 (8. Mai 2019)Antworten des Bundeslandwirtschaftsministeriums auf Fragen des grünen MdB Harald Ebner (6. Mai 2019)Medieninfo AbL e.V.: Gentechnik durch die Hintertür ist undemokratisch (9.5.2019)Infodienst – Genome Editing: USA lassen Vermarktung ohne Risikoprüfung zu (18.03.2019)

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