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Australien entlässt neue gentechnische Verfahren weitgehend aus der Regulierung

Die australische Regierung hatte bereits im Frühjahr 2019 eine Änderung der Zulassungsregeln für gentechnisch veränderte Organismen beschlossen. Ein letzter Versuch, im Parlament diese Regelung noch zu kippen, ist gescheitert. Nun fürchten Australiens Bio-Landwirte um ihre Zukunft.

Das australische Gentechnikrecht sah bisher vor, dass alle gentechnisch veränderten Organismen (GVO) eine Zulassung brauchen. Im April 2019 legte die dortige Bundesregierung eine Änderung des Gentechnikgesetzes vor. Demnach können bestimmte Verfahren wie etwa die gezielte Stilllegung von Genen ohne jede Genehmigung angewandt werden. Organismen, die mit neuen gentechnischen Verfahren wie CRISPR/Cas hergestellt wurden, brauchen ebenfalls keine Zulassung, sofern durch diese Verfahren kein artfremdes Erbgut eingebaut wurde.

Umwelt- und Bio-Verbände versuchten, diese Gesetzesänderung durch eine Eingabe an das Parlament zu stoppen. Sie argumentierten, dass kein Land der Erde bisher eine derartig breit angelegte Ausnahmeregelung verabschiedet habe. Angesichts der auch mit neuen gentechnischen Verfahren verbundenen Risiken appellierten die Organisationen an die Parlamentarier, das Vorsorgeprinzip einzuhalten. Ansonsten könnten diese Organismen die Lebensmittelkette entern, ohne jede Sicherheitsbewertung, ohne Abklärung möglicher allergischer, toxischer oder krebserregender Wirkungen, warnte Judy Carman, Direktorin des Institute of Healt and Environmental Research. Die europäische Wissenschaftlervereinigung ENSSER kam den australischen Kollegen zur Hilfe und appellierte an die australischen Parlamentarier, das Gesetz zu stoppen. Es gebe keine Garantie, dass die Anwendung dieser Technik das gewünschte Ergebnis liefere und dass dieses Ergebnis sicher sei, heißt es in dem Schreiben von ENSSER.

Die Appelle zeigten keine Wirkung: Bei der Abstimmung im Parlament stand die Grüne Partei alleine da; die Regierungskoalition und die oppositionelle Labour Party bestätigten die Entscheidung der Regierung. Slowfood Australia wies darauf hin, dass Koalition und Labour Spenden von Bayer und dem Lobbyverband CropLife erhalten hätten. Der australische Bio-Verband NASAA befürchtet nun „dass der australische Landwirtschafts- und Lebensmittelsektor in kurzer Zeit nicht mehr sicherstellen kann, dass die in Australien produzierten Lebensmittel gentechnikfrei sind und dem Australischen Bio-Standard entsprechen“. Dies würde auch die Exporte gentechnikfreier oder biologisch angebauter Lebensmittel massiv beeinträchtigen. „Das ist ein Disaster für die australische Bio-Landwirtschaft“, sagte NASAA-Vorstand Glenn Schaube. Sie werde „zum Opferlamm für die Deregulierung von GVO-Technologien gemacht“. [lf]Federal Register of Legislation: Gene Technology Amendment (2019 Measures No. 1) Regulations 2019 (04.04.2019)Institute of Healt and Environmental Research: Attempts to deregulate some genetic modification (GM) methods in Australia. Possible consequences (Juli 2019)ENSSER Statement: New genetic modification techniques and their products pose risks that need to be assessed (08.11.2019)Maitland Mercury: Greens Senate bid to overturn GMO regulation fails (15.11.2019)Slowfood Australia: Australian Federal Government and the Opposition sign off on uncontrolled genetic experiment (18.11.2019)NASAAA: Australia’s organic industry could be sacrificed for the sake of unregulated GMO tech (07.11.2019)

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Bericht: Gentechniktiere und -pflanzen gefährden Artenschutz

Die Ausbreitung von Pflanzen und Tieren, in deren Erbgut mit neuen Gentechnikverfahren wie der Gen-Schere CRISPR/Cas eingegriffen wurde, könnte fatale Folgen für den Artenschutz haben. Davor warnt ein vergangene Woche veröffentlichter Bericht des Instituts für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie (Testbiotech). Das für den Deutschen Naturschutzring (DNR) erstellte Papier zeigt anhand von Beispielen wie genveränderten Fliegen, Bienen, Bäumen und Korallen die Risiken und möglichen Konsequenzen auf.
„Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen, die sich in den natürlichen Populationen ausbreiten und vermehren, könnten die Stabilität ökologischer Systeme rasch überfordern“, warnt der Autor des Berichtes, Christoph Then. „Die neuartigen Organismen können wie ‚Störsender‘ auf ihre Umwelt und die Netzwerke der biologischen Vielfalt wirken und das Artensterben beschleunigen.“ Erstes Beispiel für eine unkontrollierte Ausbreitung ist eine invasive Krebsart, die sich allerdings ohne gentechnischen Eingriff verändert hat. „Durch ein einziges biologisches Ereignis, das auch ‚Makromutation‘ genannt wird, wurde aus dem Sumpfkrebs eine neue Art, der Marmorkrebs, der sich in seiner äußeren Erscheinungsform, seinem Verhalten und seiner genetischen Ausstattung von der ursprünglichen Art deutlich unterscheiden lässt“, schreibt Then.
Die ursprünglich in Florida vorkommende Krebsart, die sich auch ohne Paarung vermehren kann, breitet sich rasch in neuen Lebensräumen aus und verdrängt heimische Arten. In Madagaskar ist der Marmorkrebs zur Plage geworden; jetzt hat er auch Deutschland erreicht. Das Beispiel zeige für die Risiken einer unkontrollierten Ausbreitung von Gentechnik-Organismen interessante Aspekte auf, so der Autor: „Die veränderten Eigenschaften der Krebse gehen auf Veränderungen in ihrem Erbgut zurück. Die Kenntnis dieser ‚Makromutation‘ bedeutet aber nicht, dass alle neuen Eigenschaften der Krebse vorhersagbar wären.“ Um ihr invasives Potenzial richtig abschätzen zu können, müsse man ihr tatsächliches Verhalten in der freien Umwelt und ihre speziellen phänotypischen Eigenschaften kennen. Die für eine Risikoprüfung relevanten Eigenschaften der Krebse ergeben sich erst in Wechselwirkung mit der Umwelt.

Fortsetzung auf unserer Partnerseite www.weltagrarbericht.de:Weltagrarbericht: Freisetzung von Gentechnik-Organismen gefährdet den Artenschutz (15.11.2019)Bericht von Testbiotech im Auftrag des DNR: Gentechnik gefährdet den Artenschutz (November 2019)Medieninfo Deutscher Naturschutzring: Gentechnik gefährdet Natur- und Artenschutz (13.11.2019)Testbiotech: Gentechnik gefährdet den Artenschutz – Bericht warnt vor Ausbreitung von Gentechnik-Organismen in natürlichen Populationen (13.11.2019)Deutschlandfunk: Eingriffe in die Natur – Interview mit Berichtsautor Christoph Then, Testbiotech (13.11.2019)

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