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US-Richter weist Glyphosat-Vergleichsvorschlag erneut zurück

Ein wichtiger Teil des milliardenschweren Glyphosat-Vergleichs der Bayer AG in den USA hängt weiter in der Schwebe. Der US-Bundesrichter Vince Chhabria wies zum zweiten Mal einen Vorschlag zurück, der den Umgang mit künftigen Verfahren regeln sollte. Er empfahl dem Konzern stattdessen, auf Roundup-Verpackungen vor der Krebsgefahr zu warnen.

Um die Glyphosatklagen endgültig beizulegen, braucht Bayer eine Regelung für zukünftige Fälle, in denen Menschen an Lymphdrüsenkrebs erkranken und dies auf den Gebrauch des Herbizids Roundup der Bayer-Tochter Monsanto zurückführen. Dazu hatte das Unternehmen mit Klägeranwälten im letzten Sommer einen ersten Vorschlag gemacht, ihn nach Chhabrias Kritik zurückgezogen und im Februar ein überarbeitetes Konzept vorgelegt. Demnach stellt der Konzern zwei Milliarden US-Dollar für einen Fonds zur Verfügung, aus dem in den nächsten vier Jahren Glyphosatanwender, die an Lymphdrüsenkrebs erkranken, mit bis zu 200.000 US-Dollar entschädigt werden können. Ebenso berechtigt wären Glyphosatnutzer, die bereits erkrankt sind, aber noch keinen Rechtsanwalt mit einer Klage beauftragt haben. Wer die Entschädigung annimmt, würde auf sein Recht verzichten, Bayer auf Strafschadensersatz zu verklagen.

In einer Anhörung zu dem Vorschlag zeigte sich US-Bundesrichter Vince Chhabria skeptisch. Es falle dem Gericht schwer zu beurteilen, ob die Summe angemessen sei, da Bayer keine Angaben über die Höhe der Zahlungen bei den bisher getroffenen außergerichtlichen Einigungen mache und überdies die Zahl der Anspruchsberechtigten nicht abzuschätzen sei, erklärte Chhabria. Er monierte, dass der Vorschlag alle künftig möglicherweise Geschädigten binde, die vor Februar 2021 mit Glyphosat in Berührung kamen. Gleichzeitig sei der Entschädigungsfonds aber nur auf vier Jahre ausgelegt. Chhabria bemängelte auch, dass noch gesunde Roundup-Anwender den Vergleichsvorschlag nicht verstehen könnten, da er „von einem Problem spricht, das zu weit entfernt ist“, zitierte die Agentur Reuters. Sie berichtete auch, dass Chhabria dem Konzern vorschlug, Roundup mit einem Warnhinweis zu versehen. So ließen sich künftige Klagen am besten vermeiden.

Weiterhin kritisch sah der Richter, dass ein Wissenschaftsgremium binnen vier Jahren einen Bericht vorlegen soll, ob und unter welchen Bedingungen Roundup Lymphdrüsenkrebs auslösen kann – als Basis für zukünftige Verfahren. Er könne nicht nachvollziehen, was für einen Vorteil die Betroffenen davon hätten, wenn sie dieser Regelung zustimmen, sagte Chhabria. Schließlich seien alle bisherigen Geschworenenprozesse zu ihren Gunsten ausgegangen. In drei Fällen in erster Instanz wurde Bayer bisher zu hohen Schadensersatzzahlungen verurteil. In zwei dieser Fälle verlor Bayer auch das Berufungsverfahren. Erst vor wenigen Tagen bestätigte ein Bundesgericht, dass der Konzern an den Rentner Edwin Hardemann 25 Millionen Dollar als Schadensersatz und Strafe zahlen muss. Bayer prüfe, das Oberste Gericht, den US Supreme Court, einzuschalten, berichtete das Manager Magazin.

Chhabria kündigte an, die Prüfung des Vorschlags werde einige Zeit in Anspruch nehmen und legte Bayer und den Klägeranwälten nahe, den Vorschlag zurückzuziehen. Es sei üblich, dass Gerichte gewisse Änderungswünsche an solche Vereinbarungen hätten, sagte Bayer gegenüber Reuters: „Wir sind zuversichtlich, die vom Gericht aufgeworfenen Punkte gemeinsam mit den Klägeranwälten lösen zu können.“ Allerdings arbeitet Bayer nur mit einigen Anwälten zusammen, die gut an der Abwicklung eines solchen Vergleichs verdienen würden. Die Organisation U.S. Right to Know berichtete, dass 160 Anwälte von über 90 Kanzleien bei Chhabria ihre Ablehnung des Vorschlags zu Protokoll gegeben hatten. Der Vergleich würde die Rechte künftiger Betroffener beschneiden, während Bayer unbehelligt ein als gefährlich geltendes Produkt weiter vertreiben dürfe, argumentierten sie. Die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) sieht für den Konzern bloß eine Möglichkeit, die Klage-Welle zu beenden. So lange das Mittel auf dem Markt bleibe, werde es auch Geschädigte und somit Prozesse geben, sagte CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann: „Darum muss Bayer die Vermarktung von Glyphosat endlich stoppen.“ [lf]Reuters: Judge suggests warning label as part of $2 bln plan to limit Roundup claims (20.05.2021)Reuters: Judge raises doubts ahead of hearing on Bayer’s $2 bln Roundup settlement deal (18.05.2021)Süddeutsche Zeitung/dpa: US-Richter sieht Bayers Glyphosat-Vergleich weiter skeptisch (19.05.2021)Manager Magazin: Erneute Niederlage für Bayer vor US-Gericht (15.05.2021)U.S. Right to Know: Key Court Hearing Wednesday in Bayer Cancer Liability Litigation (18.05.2021)Infodienst: Bayer zieht Vergleichsvorschlag für künftige Glyphosat-Klagen zurück (14.07.2020)

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Indien: Bayer einigt sich in einem Patentstreit um Baumwolle

Sechs Jahre lang stritt die Bayer-Tochter Monsanto mit einem indischen Saatguthersteller über Lizenzzahlungen. Nun haben sich beide Parteien verglichen und damit ein weiteres der vielen Verfahren beigelegt, die Bayer mit der Übernahme von Monsanto mit eingekauft hatte. Es klingt wie ein Erfolg, doch der Verlierer der gesamten Auseinandersetzung heißt Bayer: Im Laufe der Auseinandersetzung attestierten die indischen Wettbewerbshüter dem Konzern Missbrauch seiner Marktmacht und die Regierung legte die Lizenzgebühren für Monsantos Gentech-Baumwolle auf Null fest.

Die Nachrichtenagentur Reuters hatte den Vergleich gemeldet und zitierte Bayer mit den Worten, es habe eine gütliche Einigung gegeben, die offenen Fragen und Streitigkeiten seien gelöst. Bayers Kontrahent, die Nuziveedu Seeds Ltd (NSL), gab gegenüber Reuters keine Stellungnahme ab. Die Agentur berief sich bei den Details ihres Berichts auf eine anonyme, mit dem Vorgang befasste Quelle.

Darum ging es in dem Streit: Monsanto hatte Anfang des Jahrtausends mit dem indischen Hybridsaaatguthersteller Mahyco ein Joint Venture gegründet, um Monsantos gentechnisch veränderte (gv)-Baumwollsaat in Indien zu vertreiben. Nach Angaben von Mahyco Monsanto Biotech (MMB) integrierten 45 indische Saatguthersteller die insektenresistente Bt-Baumwolle in ihre Zuchtlinien – und zahlten dafür Lizenzen. Doch 2015 weigerten sich NSL und andere indische Saatgutanbieter, weiterhin Lizenzgebühren für die patentierte gv-Baumwolle zu zahlen. Sie begründeten dies damit, dass die insektenresistente gv-Baumwolle nicht mehr wirksam sei, da die Schädlinge sich an das von der Pflanze produzierte Gift gewohnt hätten. Außerdem dürfe Monsanto nach indischem Recht gar keine Lizenzgebühren verlangen. Die hindu-nationalistischen Regierungspartei BJP unterstützte die Position von NSL.

2018 entschied das höchste indische Gericht, dass MMB das Recht habe, Lizenzgebühren für seine patentierten Baumwolle zu verlangen und im Frühjahr 2019 bestätigten zuerst ein Schiedsgericht und danach der Bombay High Court, dass NSL die seit 2015 aufgelaufenen Lizenzgebühren zahlen müsse. Als Summe wurden in den Medien damals 1,38 Milliarden Rupien genannt, etwa 17 Millionen Euro. Weitaus erfolgreicher war eine Beschwerde von NSL bei den indischen Wettbewerbshütern. Sie kamen 2019 zu dem Ergebnis, dass MMB seine Marktmacht missbraucht habe, um erhöhte Lizenzgebühren zu verlangen. Im März 2020 strich die indische Regierung per Erlass die Lizenzzahlungen für gv-Baumwolle ganz, die sie bereits 2016 deutlich gekürzt hatte.

„Der Streit löste eine Reihe von Gerichtsverfahren, kartellrechtlichen Untersuchungen und Anordnungen des Landwirtschaftsministeriums gegen Monsanto aus, die Monsanto jährlich Dutzende von Millionen Dollar an entgangenen Einnahmen kosteten und schließlich die indische und die US-Regierung auf den Plan riefen“, fasste Reuters die Ereignisse zusammen. Sie dürften Bayer schließlich dazu bewogen haben, einen Vergleich zu schließen. „Es war ein sehr großer Streit … Das wird eine Erleichterung für beide sein“, zitierte Reuters seine Quelle. Welche Summen in dem nun geschlossenen Vergleich tatsächlich flossen, blieb geheim. [lf]Reuters: Bayer’s Monsanto, India’s NSL settle long-running GM cotton seed dispute (26.03.2021)Reuters: After series of cuts, India axes Bayer’s GM cotton royalty (24.03.2020)The Economic Times: Mumbai HC asks Nuziveedu Seeds Ltd to pay Rs 138 cr dues of Mahyco Monsanto Biotech (07.03.2019)Reuters: Bayer’s Monsanto wins arbitration ruling over royalties from Indian seed company (11.02.2019)Reuters Investigates: Seed giant Monsanto meets its match as Hindu nationalists assert power in Modi’s India (28.03.2017)Infodienst: Bt-Baumwolle in Indien schmeckt den Insekten weiterhin (20.03.2020)

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EU-Kommission will Regeln für neue Gentechnik diskutieren

Die Europäische Kommission hat heute ihre lange erwartete Untersuchung über neue gentechnische Verfahren vorgelegt. Sie macht darin deutlich, dass sie das EU-Gentechnikrecht zugunsten bestimmter gentechnischer Eingriffe überarbeiten will. Konkrete Vorschläge legte die Kommission jedoch ebensowenig vor wie einen Zeitplan für die nächsten Schritte.

In ihrem Bericht stellt die Kommission zwar die Argumente und Standpunkte von Befürwortern und Gegnern neuer gentechnischer Verfahren in der Landwirtschaft dar. In ihrer Abwägung spielen jedoch vor allem zwei Punkte eine Rolle: Sie glaubt der Behauptung von Befürwortern, dass neue gentechnische Pflanzen gut für Klimaschutz und Nachhhaltigkeit seien. Die neuen Techniken hätten das Potential, „im Rahmen der Ziele des europäischen Grünen Deals und der Strategie ‚Vom Hof auf den Tisch‘ zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem beizutragen“, heißt es in der Presseinformation. Zum zweiten sieht die EU-Kommission offenbar keine größeren Risiken: Eingriffe ins Erbgut, bei denen Punktmutationen erzeugt oder nur Gene einer Art übertragen werden, seien ebenso sicher wie herkömmliche Züchtung. Dabei beruft sich die Kommission auf ein entsprechendes Gutachten der EU-Lebensmittelbehörde EFSA.

Darauf aufbauend argumentiert die Kommission, dass die strikten Anforderungen, die das EU-Gentechnikrecht an die Risikoabschätzung stelle, für diese Produkte neuer Gentechnik nicht gerechtfertigt seien. Das Recht müsse an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt angepasst werden. Deshalb plane die Kommission politische Maßnahmen für Pflanzen einzuleiten, die durch gezielte Mutagenese und Cisgenese erzeugt wurden, erläuterte eine Mitarbeiterin. Diese Maßnahmen, sprich Rechtsänderungen, sollten ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt aufrechterhalten, es aber auch möglich machen, die Vorteile von Innovationen zu nutzen. Inhaltlich konkreter wurde die Vertreterin der Kommission auf Nachfrage nicht. Sie sagte lediglich, dass keine Generalüberholung des EU-Gentechnikrechts geplant sei.
Auch beim Zeitplan blieb die Kommission vage. Als nächsten Schritt will sie in einer Folgenabschätzung mit öffentlicher Konsultation erst einmal mögliche politische Optionen prüfen sowie die Bedenken, die während der Konsultation zur Studie geäußert wurden. Auf Nachfrage wollte sich die Kommissionvertreterin nicht auf einen Zeitpunkt festlegen, zu dem konkrete Änderungsvorschläge vorliegen sollen. Überhaupt soll erst einmal die Studie breit diskutiert werden. Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, „einen offenen Dialog mit den Bürgern, den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament zu führen, um gemeinsam über das weitere Vorgehen beim Einsatz dieser genetchnischen Verfahren in der EU zu entscheiden“, sagte Stella Kyriakides, die Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Ihre Behörde hat die Untersuchung durchgeführt, nachdem die EU-Mitgliedsstaaten sie im November 2019 beauftragt hatten. Anlass war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Sommer 2018, der neue gentechnische Verfahren wie Crispr/Cas rechtlich als Gentechnik eingeordnet hatte. Die Kommission sollte sich mit den Konsequenzen befassen. Dabei stützte sie sich auf Expertenmeinungen sowie auf Beiträge der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und von mehr als 100 Interessenträgern auf EU-Ebene.
Die Regierung des Mitgliedsstaates Deutschland reagierte zweistimmig auf die Studie. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) begrüßte es, „dass die EU-Kommission mit der heute vorgestellten Studie die überfällige Modernisierung des europäischen Rechtsrahmens für neue molekularbiologische Techniken (NMT) anstößt“. Sie will mit der Kommission „Regelungen schaffen, die mit wissenschaftlichen Erkenntnissen Schritt halten und eine differenzierte Risikobewertung ermöglichen“. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprach sich dagegen aus, das Gentechnikrecht aufzuweichen. Die bestehende Freisetzungsrichtlinie der EU stelle den richtigen Rahmen für Vorsorgeprinzip und Wahlfreiheit dar, „denn sie ermöglicht die Zulassung von Produkten, die mit Neuer Gentechnik hergestellt wurden, wenn ihre Sicherheit für Mensch und Umwelt geprüft und erwiesen ist“. [lf/vef]EU-Kommission: Biotechnologie: Kommission will offene Debatte über neuartige genomische Verfahren – Studie zeigt Potenzial für nachhaltige Landwirtschaft und Notwendigkeit neuer Strategie auf (29.04.2021)EU-Kommission: EC study on new genomic techniques (29.04.2021)Der Auftrag der EU-Mitgliedsstaaten: Beschluss (EU) 2019/1904 des Rates vom 8. November 2019Bundeslandwirtschaftsministerium: Modernisierung des EU-Rechtsrahmens für neue molekularbiologische Techniken (29.04.2021)Bundesumweltministerium: Vorsorgeprinzip und Wahlfreiheit müssen oberste Leitlinie für Gentechnik-Zulassung bleiben (29.04.2021)

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