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Südafrika will auf Gentech-Zuckerrohr setzen

ZuckerrohrDas südafrikanische Zucker-Forschungsinstitut SASRI plant Feldversuche mit gentechnisch verändertem Zuckerrohr. Das Afrikanische Zentrum für Biodiversität (ACB) sieht diese Entwicklung in Zusammenhang mit den staatlichen Plänen, die Zuckerindustrie auszubauen. Es befürchtet, dass großflächige Plantagen mit Gentech-Zuckerrohr entstehen könnten, um daraus Ethanol als nachwachsenden Treibstoff herzustellen.

Das SASRI forscht nach eigenen Angaben schon seit den 90er Jahren an gentechnisch verändertem (gv) Zuckerrohr. Die dort mit alten gentechnischen Verfahren entwickelten Pflanzen enthalten laut ACB eine Herbizidresistenz und produzieren ein Bakterientoxin (Bt). Dieses soll die Pflanze vor dem afrikanischen Zuckerrohrbohrer (Eldana saccharina ) schützen. Die Raupe dieses Schmetterlings verursache jedes Jahr Schäden in Höhe von einer Milliarde südafrikanischer Rand (rund 60 Millionen Euro), argumentiert SASRI. Dessen Forscher gehen davon aus, dass es noch zwei, drei Jahre bis zum ersten Feldversuch dauern werde und rechnen, daran anschließend, mit einem langwierigen Zulassungsverfahren.

Dass ACB frühzeitig Alarm schlägt und ein Moratorium für gv-Zuckerrohr fordert, hat einen Grund: Die südafrikanische Regierung stellte 2020 einen Masterplan für die Zuckerindustrie vor. Sie will bis 2030– so beschreibt es ACB – zusammen mit der angeschlagenen Industrie „global wettbewerbsfähige und nachhaltige diversifizierte zuckerrohrbasierte Wertschöpfungsketten“ entwickeln. Dabei soll Ethanol-Kraftstoff als Produkt die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern. „Wir wenden uns entschieden gegen die Vorstellung, industriell angelegte Monokulturen mit gentechnisch verändertem Zuckerrohr könnten als Teil eines Pakets den Bedarf an erneuerbaren Energien decken“, schreibt ACB. Dies würde lokale Nahrungsmittelsysteme und die Existenzgrundlage vieler Kleinbauern unterminieren.

Bisher ist gv-Zuckerrohr keine Erfolgsgeschichte. Brasilien hatte 2017 erste gv-Zuchtlinien für den konventionellen Anbau zugelassen. Doch die Nachfrage blieb gering. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete im April, dass die Anbaufläche für die Saison 2022/23 auf 70.000 Hektar gestiegen sei. Das ist weniger als ein Prozent der gesamten brasilianischen Zuckerrohrfläche von 8,2 Millionen Hektar. Noch vor Brasilien hatte Indonesien 2013 eine trockentolerante gv-Zuckerrohrlinie zugelassen, über deren tatsächliche Nutzung allerdings nichts bekannt ist. Argentinische Wissenschaftler erklärten in einer aktuellen Übersicht die langsame Entwicklung mit den technischen Schwierigkeiten, mit denen gentechnische Eingriffe in das komplexe und noch nicht komplett entschlüsselte Erbgut des Zuckerrohrs verbunden seien.[lf]

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Deregulierung: Die Pläne der EU-Kommission für ein neues Gentechnikrecht werden konkreter

Der Sitz der EU-Kommission in Brüssel. Foto: EmDee - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=91781296Die EU-Kommission lässt für ihre Regelungspläne zu neuen gentechnischen Verfahren (NGT) bereits eine Folgenabschätzung erarbeiten. Der Fragebogen dafür ging nur an ausgewählte Stakeholder und zeigt, dass die Pläne der Kommission weiter reichen könnten, als bisher von ihr behauptet. Die sieben abgefragten Szenarien umfassen eine komplette Deregulierung für NGT-Pflanzen, die „auch auf natürlichem Wege oder durch konventionelle Züchtung gewonnen werden können“. Erleichterungen könnte es auch für Pflanzen geben, die „erwünschte Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit“ haben. Zudem lässt der Fragebogen erkennen, wie sich die Kommission Details ihrer neuen Regelungen vorstellt.

Veröffentlicht hat den 53-seitigen Fragebogen die gentechnikkritische Plattform GMWatch. Die „zielgerichtete Befragung“ soll in eine Studie einfließen, die wiederum Grundlage für die Folgenabschätzung ist, die jeden Verordnungsvorschlag der EU-Kommission begleitet. Erarbeiten wird diese Studie ein „unabhängiges Konsortium von Forschungsinstituten unter der Leitung der Technopolis Group“, heißt es im Vorwort der Befragung. Grundlage sind sieben offensichtlich von der EU-Kommission, Generaldirektion Gesundheit, vorgegebene und erläuterte Szenarien. Die Befragten sollen einschätzen, welche Folgen sich daraus für den Zeitraum 2030 bis 2035 ergeben könnten, im Vergleich zu einem unveränderten EU-Gentechnikrecht. Aspekte dabei sind Kosten von Genehmigungsverfahren ebenso wie Koexistenz, Marktentwicklungen oder Erntemengen.

Für die Änderung des Gentechnikrechts beschreibt der Fragebogen zwei Szenarien: A1 entspricht in etwa dem, was hohe EU-Beamte bisher als offizielle Planung beschrieben haben. Es soll für NGT-Pflanzen, denen kein fremdes Erbgut eingefügt wird, eine dem jeweiligen Produkt angemessene Risikobewertung geben. Eine Nachweismethode für die Veränderung muss vorgelegt werden. Aber die Methode muss nicht belegen, ob es sich um eine gentechnische oder natürliche Veränderung handelt – sofern dies technisch unmöglich ist.

In den Erläuterungen zu A1 heißt es, dass die Verordnung selbst, der Basisrechtsakt, die allgemeinen Grundsätze für die Risikobewertung enthalten soll, sowie Kriterien, anhand derer Art und Umfang der für die Bewertung notwendigen Daten bestimmt würden. Spezifische Datenanforderungen für die verschiedenen Risikostufen sollen dann in untergeodneten Rechtsvorschriften und EFSA-Leitlinien festgelegt werden. Als angedachte Kriterien nennt der Fragebogen die Neuartigkeit der genetischen Veränderung, deren Ausmaß und die verwendete Technik. Relevant ist auch, ob im Endprodukt genetisches Material vorhanden ist, das außerhalb des Organismus hergestellt wurde. Berücksichtigt werden soll ebenso, ob die Pflanze neue Proteine bildet, bisher gebildete Proteine wegfallen oder sich die Pflanze optisch verändert.

Weiter geht die Kommission in ihrem Szenario A2: Darin werden NGT-Pflanzen, die „auch auf natürlichem Wege oder durch konventionelle Züchtung gewonnen werden können“, von jeder Risikobewertung und Nachweisregelung ausgenommen. Der Fragebogen nennt als „Arbeitsbasis für die Folgenabschätzung“ acht Kriterien, die eine NGT-Pflanze erfüllen müsste, um von allen Regelungen freigestellt zu werden. Dazu zählt der Nachweis, dass diese Veränderung tatsächlich in anderen Pflanzen der jeweiligen Art oder einer mit ihr kreuzbaren Art vorkommt. Sie darf nicht darauf abzielen, die Expression eines bestehenden Gens über die natürliche Variation hinaus zu verändern. Auch darf die Veränderung eine – nicht näher definierte – Zahl von Basenpaaren nicht überschreiten. Der Hersteller einer solchen Pflanze müsste sie vorab bei der EU-Lebensmittelbehörde EFSA anmelden. Diese soll prüfen, ob alle acht Kriterien eingehalten sind und die Kommisison würde in diesem Fall die Planze freigeben.

In den Szenarien B1 bis B3 führt die Kommission ein Nachhaltigkeitslabel für NGT-Pflanzen ein. Es soll jeweils deutlich machen, welchen Beitrag zur Nachhaltigkeit das geänderte Erbgut leistet. Als Beispiele nennt der Fragebogen Pflanzen, die weniger Pestizide oder Dünger brauchen, widerstandsfähiger gegen Trockenheit, Krankheiten oder Schädlinge sind oder ein verbessertes Nährstoffprofil aufweisen. Auch stabilere Ernten oder größere Früchte würden ausreichen, um als nachhaltig klassifiziert zu werden. Der Fragebogen lässt offen, ob die Klassifizierung dezentral durch nationale Behörden oder zentral über die EFSA geschehen soll.

Im Szenario B1 würde dieses Label die entsprechenden NGT-Pflanzen zusätzlich auszeichnen; an Gentechnikkennzeichnung und Nachweispflichten würde sich nichts ändern. In Szenario B2 würde die Gentechnikkennzeichnung wegfallen, die Pflanze müsste lediglich in ein öffentliches Register eingetragen werden. Die Nachweispflichten wären unverändert. Im Szenario B3 würde für die NGT-Pflanzen aus Szenario A2 ebenfalls jegliche Gentechnikkennzeichnung wegfallen und durch den Eintrag in ein öffentliches Register ersetzt – unabhängig davon, ob die Pflanze ein Nachhaltigkeitslabel trägt.

Das Szenario C1 sieht vor, dass nachhaltig eingestufte NGT-Pflanzen Vorteile im Prüfungsverfahren bekommen, etwa geringere Gebühren oder eine schnellere Verfahrensdauer. Szenario C2 schließt NGT-Pflanzen aus, deren Änderung Nachhaltigkeitszielen widersprechen. Herbizidtolerante Pflanzen werde nicht explizit genannt, lediglich Pflanzen, „die zu einem Mehrverbrauch an Pestiziden führen“.

GMWatch wies darauf hin, dass die Szenarien A2 und B3 dem entsprächen, was Gentechkonzerne fordern und was derzeit in Großbritannien schon als Gesetzesvorschlag auf dem Tisch liege. Für die gentechnikfreie Lebensmittelwirtschaft seien die Pläne der Kommission eine Katastrophe, sagte gegenüber GMWatch Heike Moldenhauer, Geschäftsführerin von ENGA, dem europäischen Verband der gentechnikfreien Lebensmittelwirtschaft. Ungeprüfte und unsichtbare gentechnisch veränderte Organismen würden „ihren Weg auf die europäischen Felder, in die Supermarktregale und auf die Teller der Verbraucher finden – unwiderruflich“. Die Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament erinnerte die Kommission in einem Schreiben an das Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Demnach dürften neue Gentechniken nicht aus dem EU-Gentechnikrecht ausgeschlossen werden, bevor sie nicht eine Reihe von Anwendungen durchlaufen und ihre Sicherheit unter Beweis gestellt hätten. [lf]

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Frankreich: Wer ließ eine Agentur Stimmung für Glyphosat machen?

Lobby Lobbyismus GentechnikEin französischer Journalist hatte 2016 und 2017 für eine Agentur Texte verfasst, die Stimmung für Glyphosat und gegen die Krebsforschungsagentur IARC machen sollten. Die Agentur ist inzwischen bekannt, der damalige Auftraggeber nicht. Die französische Internetzeitung Mediapart schrieb, dass Bayer derzeit zu den Kunden dieser Agentur zählt. Der Konzern dementierte das.

Am 20. September 2016 erschien auf der Webseite der französischen Wirtschaftszeitschrift Le Journal Economique ein Artikel über das Herbizid Glyphosat und dessen Einstufung als wahrscheinlich krebserregend durch die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation. In dem immer noch abrufbaren Text heißt es, die IARC werde „regelmäßig für ihre Panikmache kritisiert, da sie zweifelhafte Informationen verbreitet, die auf bruchstückhaften Ergebnissen beruhen“. Der Artikel betont die angeblichen Vorteile von Glyphosat und zitiert einen kandischen Landwirt und Autor mit den Worten: „Selbst Bio-Bauernhöfe verwenden dieses Herbizid“. Gekennzeichnet ist der Text als Beitrag der Redaktion, der von einem „Jean-Louis Philip, ingénieur“ vorgeschlagen worden sei.

Doch diesen Herrn gibt es nicht. Ein freier Journalist mit dem Pseudonym Julien Fomenta Rosat hat enthüllt, dass dieser Text von ihm stammt und im Auftrag einer Agentur verfasst wurde. Diese sorgte dafür, das dieser und andere Artikel von Rosat auf den Portalen bekannter französischer Medien wie Mediapart, L’Express, Huffington Post oder Les Échos veröffentlicht wurden. Als Autoren wurden meist fiktive Personen mit einer erfundenen und zu dem Thema passenden Biografie angegeben. Zweck der Veröffentlichungen war es, die öffentliche Meinung im Sinne des jeweiligen Kunden zu beeinflussen. Rosat schrieb nach eigenen Angaben von 2017 bis 2021 rund 600 Artikel im Auftrag der Agentur, nicht nur über Glyphosat, sondern auch über afrikanische Politiker oder die sicheren französischen Atomkraftwerke.

Die Enthüllungen des Journalisten erschienen im Mai 2022 in der Zeitschrift Fakir und gingen Ende Juni online. Rosat fand im Zuge seiner Recherchen heraus, dass sich hinter seinem Auftraggeber, den er nie zu Gesicht bekam, die Agenturen iStrat und später Maelstrom Media verbargen. Deren Führungskräfte, so schreibt Rosat, hätten auch Avisa Partners gegründet. Dieses „Unternehmen für Wirtschaftsintelligenz, internationale Geschäfte und Cybersicherheit“ ist bekannt. Es bietet seit 2010 seine Dienste als Lobbyist an und ist in den Lobbyregistern der EU-Kommisison und des Bundestages eingetragen.

Besonders betroffen von den gefälschten Artikeln war der Debattierclub der renommierten französischen Internetzeitung Mediapart. Sie stellte bei ihrer Aufarbeitung fest, dass über 100 falsche Nutzeridentitäten mit 634 Beiträge Avisa Partners zuzuordnen seien und löschte die Beiträge. In einem Artikel über den Betrug listet die Redaktion aktuelle Kunden von Avisa Partners auf und beruft sich dabei auf „interne Dokumente von Avisa, die Mediapart erhalten hat“. Einer dieser Kunden sei das Pharma- und Agrochemieunternehmen Bayer. Es habe Avisa Partners beauftragt, in sozialen Medien gegen Anti-Gentechnik-Aktivisten vorzugehen. Im aktuellen Eintrag im EU-Transparenzregister ist Bayer für 2021 und 2022 nicht als Kunde von Avisa Partners erwähnt. Bayer selbst antwortete auf Nachfrage: „Bayer hat in den Jahren 2016 und 2017 mit Avisa Partners ausschließlich im Bereich Tiergesundheit zusammengearbeitet.“ Über eine mögliche Zusammenarbeit zwischen Monsanto und Avisa in der Vergangenheit lägen keine Informationen vor. Bekannt ist, dass Monsanto 2016 und 2017 Listen von Glyphosatkritikern anlegen ließ und dafür in Frankreich zu einem Bußgeld verurteilt wurde.

Auf die Fragen nach einer aktuellen Zusammenarbeit mit Avisa Partners und ob auch in Deutschland Artikel zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung in Auftrag gegeben worden seien, antwortete ein Sprecher des Konzerns: „Jede Form verdeckter PR lehnen wir strikt ab“. Man setze in der Kommunikation mit allen Stakeholdern auf Transparenz und einen offenen und unvoreingenommenen Dialog. Avisa Partners antwortete nicht auf Fragen zu der von Mediapart beschriebenen Zusammenarbeit mit Bayer. [lf]

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