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Frankreich: Wer ließ eine Agentur Stimmung für Glyphosat machen?

Lobby Lobbyismus GentechnikEin französischer Journalist hatte 2016 und 2017 für eine Agentur Texte verfasst, die Stimmung für Glyphosat und gegen die Krebsforschungsagentur IARC machen sollten. Die Agentur ist inzwischen bekannt, der damalige Auftraggeber nicht. Die französische Internetzeitung Mediapart schrieb, dass Bayer derzeit zu den Kunden dieser Agentur zählt. Der Konzern dementierte das.

Am 20. September 2016 erschien auf der Webseite der französischen Wirtschaftszeitschrift Le Journal Economique ein Artikel über das Herbizid Glyphosat und dessen Einstufung als wahrscheinlich krebserregend durch die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation. In dem immer noch abrufbaren Text heißt es, die IARC werde „regelmäßig für ihre Panikmache kritisiert, da sie zweifelhafte Informationen verbreitet, die auf bruchstückhaften Ergebnissen beruhen“. Der Artikel betont die angeblichen Vorteile von Glyphosat und zitiert einen kandischen Landwirt und Autor mit den Worten: „Selbst Bio-Bauernhöfe verwenden dieses Herbizid“. Gekennzeichnet ist der Text als Beitrag der Redaktion, der von einem „Jean-Louis Philip, ingénieur“ vorgeschlagen worden sei.

Doch diesen Herrn gibt es nicht. Ein freier Journalist mit dem Pseudonym Julien Fomenta Rosat hat enthüllt, dass dieser Text von ihm stammt und im Auftrag einer Agentur verfasst wurde. Diese sorgte dafür, das dieser und andere Artikel von Rosat auf den Portalen bekannter französischer Medien wie Mediapart, L’Express, Huffington Post oder Les Échos veröffentlicht wurden. Als Autoren wurden meist fiktive Personen mit einer erfundenen und zu dem Thema passenden Biografie angegeben. Zweck der Veröffentlichungen war es, die öffentliche Meinung im Sinne des jeweiligen Kunden zu beeinflussen. Rosat schrieb nach eigenen Angaben von 2017 bis 2021 rund 600 Artikel im Auftrag der Agentur, nicht nur über Glyphosat, sondern auch über afrikanische Politiker oder die sicheren französischen Atomkraftwerke.

Die Enthüllungen des Journalisten erschienen im Mai 2022 in der Zeitschrift Fakir und gingen Ende Juni online. Rosat fand im Zuge seiner Recherchen heraus, dass sich hinter seinem Auftraggeber, den er nie zu Gesicht bekam, die Agenturen iStrat und später Maelstrom Media verbargen. Deren Führungskräfte, so schreibt Rosat, hätten auch Avisa Partners gegründet. Dieses „Unternehmen für Wirtschaftsintelligenz, internationale Geschäfte und Cybersicherheit“ ist bekannt. Es bietet seit 2010 seine Dienste als Lobbyist an und ist in den Lobbyregistern der EU-Kommisison und des Bundestages eingetragen.

Besonders betroffen von den gefälschten Artikeln war der Debattierclub der renommierten französischen Internetzeitung Mediapart. Sie stellte bei ihrer Aufarbeitung fest, dass über 100 falsche Nutzeridentitäten mit 634 Beiträge Avisa Partners zuzuordnen seien und löschte die Beiträge. In einem Artikel über den Betrug listet die Redaktion aktuelle Kunden von Avisa Partners auf und beruft sich dabei auf „interne Dokumente von Avisa, die Mediapart erhalten hat“. Einer dieser Kunden sei das Pharma- und Agrochemieunternehmen Bayer. Es habe Avisa Partners beauftragt, in sozialen Medien gegen Anti-Gentechnik-Aktivisten vorzugehen. Im aktuellen Eintrag im EU-Transparenzregister ist Bayer für 2021 und 2022 nicht als Kunde von Avisa Partners erwähnt. Bayer selbst antwortete auf Nachfrage: „Bayer hat in den Jahren 2016 und 2017 mit Avisa Partners ausschließlich im Bereich Tiergesundheit zusammengearbeitet.“ Über eine mögliche Zusammenarbeit zwischen Monsanto und Avisa in der Vergangenheit lägen keine Informationen vor. Bekannt ist, dass Monsanto 2016 und 2017 Listen von Glyphosatkritikern anlegen ließ und dafür in Frankreich zu einem Bußgeld verurteilt wurde.

Auf die Fragen nach einer aktuellen Zusammenarbeit mit Avisa Partners und ob auch in Deutschland Artikel zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung in Auftrag gegeben worden seien, antwortete ein Sprecher des Konzerns: „Jede Form verdeckter PR lehnen wir strikt ab“. Man setze in der Kommunikation mit allen Stakeholdern auf Transparenz und einen offenen und unvoreingenommenen Dialog. Avisa Partners antwortete nicht auf Fragen zu der von Mediapart beschriebenen Zusammenarbeit mit Bayer. [lf]

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Ukrainekrieg: Argentinien hofft auf Markt für Gentechnik-Weizen

Weizen Foto: Inopinatus, https://bit.ly/3I934EF, https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/Der angeblich dürretolerante HB4-Weizen des globalen Agrarunternehmens Bioceres darf in seinem Stammland Argentinien nun ohne Einschränkungen angebaut und vermarktet werden. Den Import des herbizidtoleranten Getreides erlauben nach Brasilien jetzt auch Kolumbien, Neuseeland und Australien. Die argentinische Regierung und der Saatguthersteller setzen darauf, dass Ernteausfälle und Transportprobleme durch den Krieg im Weizenexportland Ukraine die Nachfrage nach Gentechnik-Weizen beflügeln könnten.

Das argentinische Landwirtschaftsministerium hat am 11. Mai die bisherigen Einschränkungen für Anbau und Verarbeitung von HB4-Weizen aufgehoben. Es begründete den Schritt damit, dass Brasilien als wichtigster Abnehmer von argentinischem Weizen es erlaubt habe, das mit einem Sonnenblumengen ergänzte Getreide einzuführen. Nun hofft man, dass der weltweit erste Gentechnik-Weizen, den in Argentinien vorerst nur 250 lizensierte Betriebe anpflanzen, auch verkauft werden kann. Nach Kolumbien, Neuseeland und Australien dürfen die Körner seit Neustem ebenfalls importiert und dort verarbeitet werden. Und die US-Lebensmittelbehörde FDA hat laut Bioceres Ende Juni mitgeteilt, dass sie nach Prüfung der Unterlagen keine weiteren Fragen zur Sicherheit von HB4-Weizen habe. Dies sei „ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Marktzulassung in den Vereinigten Staaten, die noch vom US-Landwirtschaftsministerium (USDA) erteilt werden muss“, schrieb Bioceres.

Doch das Unternehmen denkt schon weiter: Wie es der Nachrichtenagentur Reuters sagte, plane es in Australien zusammen mit einem Weizenzüchter Feldversuche und wolle dort im kommenden Jahr eine Anbaugenehmigung für seinen HB4-Weizen beantragen. Das vom Klimawandel besonders betroffene Land ist für Bioceres als Markt sehr interessant. In Brasilien hat die staatliche Forschungseinrichtung Embrapa nach Angaben von Reuters bereits im März Feldversuche mit dem Gentechnikgetreide begonnen. Bioceres-Vorstand Federico Trucco sagte Reuters, der Einmarsch Russlands in die Ukraine habe den Weizen in den Mittelpunkt gerückt und stärke die Argumente für seine gentechnisch veränderten Pflanzen. Die Zeitung La Nuevaer zitierte den argentinischen Landwirtschaftsminister Julián Domínguez, er wolle den Weizenanbau in seinem Land mit Hilfe der Gentechnik ausweiten und die Erträge steigern. Und sein Staatssekretär Matías Lestani ergänzte gegenüber der Tageszeitung taz: „Unser Ziel ist, die Gelegenheit zu nutzen, die sich aus dem internationalen Szenario ergibt, da der Krieg in der Ukraine schon jetzt die gesamte globale Verwertungskette in Schach hält.“

Diese Rechnung hat die Regierung aber offenbar ohne die argentinische Agrarwirtschaft gemacht: Fernando Rivara, Präsident des Verbandes der Getreideerzeuger, hat große Bedenken gegen HB4. „Die Angst vor einer Weizenkontamination behindert den Zugang unserer Produkte zu den anspruchsvollsten Märkten“, zitierte ihn La Nueva. Noch deutlicher drückte sich der Präsident des Getreideexportzentrums CIARA-CEC, Gustavo Idígoras, gegenüber dem Magazin Infobae aus: „Wir werden kein einziges Körnchen HB4-Weizen in Lieferungen akzeptieren, denn das ist eine absolute Absage an jeden Markt“. Um diese Vorbehalte abzubauen, sagte Bioceres zu, die gesamte HB4-Ernte 2022/23 aufzukaufen und das Getreide, das nicht als Saatgut gebraucht werde, in Eigenregie zu verarbeiten. Dazu sei man mit einer Brauerei und einem Futtermittelhersteller im Gespräch. Bioceres hofft, dass die Widerstände schwinden, sobald der HB4-Weizen in weiteren Ländern zugelassen ist. Auch in der Europäischen Union (EU) hat das Unternehmen eine Importzulassung beantragt.

Während die an sich gentechnikfreundlichen Vertreter der Weizenindustrie um ihre Märkte fürchten, stören sich Umweltgruppen vor allem daran, dass der HB4-Weizen gegen das Herbizid Glufosinat-Ammonium resistent ist. Sie fürchten, dass mit einem verstärkten HB4-Anbau auch dieses Pflanzengift deutlich mehr versprüht wird. In der EU ist es seit 2018 verboten, weil es die Gesundheit gefährdet. Dennoch wird es vom deutschen Pestizidhersteller BASF weiter in Länder wie Argentinien exportiert. Die Kritiker verweisen auch auf die bekannten negativen Auswirkungen des Anbaus von Gen-Soja, die sich nun bei Weizen wiederholen könnten: riesige Monokulturen, die aus der Luft mit Herbiziden besprüht werden, zerstörte artenreiche Agrarökosysteme sowie eine zunehmende Konzentration des Reichtums. Und sie wehren sich: Bio-Bauern wollen gegen die unbeschränkte Zulassung von HB4-Weizen klagen, da sie Sorge haben, dass ihre gentechnikfreien Bio-Weizenfelder damit verunreinigt werden. Ein Bundesrichter hatte die Regierung bereits vergangenen November aufgefordert, die Bürger am Zulassungsverfahren zu beteiligen. Der Oberste Gerichtshof Argentiniens muss jetzt über einen Antrag von Bundesanwaltschaft und Betroffenen entscheiden, die Zulassung von HB4 auszusetzen, berichtete die Agentur Tierra Viva. [lf/vef]

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Ukrainekrieg: Argentinien hofft auf Markt für Gentechnik-Weizen

Weizen Foto: Inopinatus, https://bit.ly/3I934EF, https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/Der angeblich dürretolerante HB4-Weizen des globalen Agrarunternehmens Bioceres darf in seinem Stammland Argentinien nun ohne Einschränkungen angebaut und vermarktet werden. Den Import des herbizidtoleranten Getreides erlauben nach Brasilien jetzt auch Kolumbien, Neuseeland und Australien. Die argentinische Regierung und der Saatguthersteller setzen darauf, dass Ernteausfälle und Transportprobleme durch den Krieg im Weizenexportland Ukraine die Nachfrage nach Gentechnik-Weizen beflügeln könnten.

Das argentinische Landwirtschaftsministerium hat am 11. Mai die bisherigen Einschränkungen für Anbau und Verarbeitung von HB4-Weizen aufgehoben. Es begründete den Schritt damit, dass Brasilien als wichtigster Abnehmer von argentinischem Weizen es erlaubt habe, das mit einem Sonnenblumengen ergänzte Getreide einzuführen. Nun hofft man, dass der weltweit erste Gentechnik-Weizen, den in Argentinien vorerst nur 250 lizensierte Betriebe anpflanzen, auch verkauft werden kann. Nach Kolumbien, Neuseeland und Australien dürfen die Körner seit Neustem ebenfalls importiert und dort verarbeitet werden. Und die US-Lebensmittelbehörde FDA hat laut Bioceres Ende Juni mitgeteilt, dass sie nach Prüfung der Unterlagen keine weiteren Fragen zur Sicherheit von HB4-Weizen habe. Dies sei „ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Marktzulassung in den Vereinigten Staaten, die noch vom US-Landwirtschaftsministerium (USDA) erteilt werden muss“, schrieb Bioceres.

Doch das Unternehmen denkt schon weiter: Wie es der Nachrichtenagentur Reuters sagte, plane es in Australien zusammen mit einem Weizenzüchter Feldversuche und wolle dort im kommenden Jahr eine Anbaugenehmigung für seinen HB4-Weizen beantragen. Das vom Klimawandel besonders betroffene Land ist für Bioceres als Markt sehr interessant. In Brasilien hat die staatliche Forschungseinrichtung Embrapa nach Angaben von Reuters bereits im März Feldversuche mit dem Gentechnikgetreide begonnen. Bioceres-Vorstand Federico Trucco sagte Reuters, der Einmarsch Russlands in die Ukraine habe den Weizen in den Mittelpunkt gerückt und stärke die Argumente für seine gentechnisch veränderten Pflanzen. Die Zeitung La Nuevaer zitierte den argentinischen Landwirtschaftsminister Julián Domínguez, er wolle den Weizenanbau in seinem Land mit Hilfe der Gentechnik ausweiten und die Erträge steigern. Und sein Staatssekretär Matías Lestani ergänzte gegenüber der Tageszeitung taz: „Unser Ziel ist, die Gelegenheit zu nutzen, die sich aus dem internationalen Szenario ergibt, da der Krieg in der Ukraine schon jetzt die gesamte globale Verwertungskette in Schach hält.“

Diese Rechnung hat die Regierung aber offenbar ohne die argentinische Agrarwirtschaft gemacht: Fernando Rivara, Präsident des Verbandes der Getreideerzeuger, hat große Bedenken gegen HB4. „Die Angst vor einer Weizenkontamination behindert den Zugang unserer Produkte zu den anspruchsvollsten Märkten“, zitierte ihn La Nueva. Noch deutlicher drückte sich der Präsident des Getreideexportzentrums CIARA-CEC, Gustavo Idígoras, gegenüber dem Magazin Infobae aus: „Wir werden kein einziges Körnchen HB4-Weizen in Lieferungen akzeptieren, denn das ist eine absolute Absage an jeden Markt“. Um diese Vorbehalte abzubauen, sagte Bioceres zu, die gesamte HB4-Ernte 2022/23 aufzukaufen und das Getreide, das nicht als Saatgut gebraucht werde, in Eigenregie zu verarbeiten. Dazu sei man mit einer Brauerei und einem Futtermittelhersteller im Gespräch. Bioceres hofft, dass die Widerstände schwinden, sobald der HB4-Weizen in weiteren Ländern zugelassen ist. Auch in der Europäischen Union (EU) hat das Unternehmen eine Importzulassung beantragt.

Während die an sich gentechnikfreundlichen Vertreter der Weizenindustrie um ihre Märkte fürchten, stören sich Umweltgruppen vor allem daran, dass der HB4-Weizen gegen das Herbizid Glufosinat-Ammonium resistent ist. Sie fürchten, dass mit einem verstärkten HB4-Anbau auch dieses Pflanzengift deutlich mehr versprüht wird. In der EU ist es seit 2018 verboten, weil es die Gesundheit gefährdet. Dennoch wird es vom deutschen Pestizidhersteller BASF weiter in Länder wie Argentinien exportiert. Die Kritiker verweisen auch auf die bekannten negativen Auswirkungen des Anbaus von Gen-Soja, die sich nun bei Weizen wiederholen könnten: riesige Monokulturen, die aus der Luft mit Herbiziden besprüht werden, zerstörte artenreiche Agrarökosysteme sowie eine zunehmende Konzentration des Reichtums. Und sie wehren sich: Bio-Bauern wollen gegen die unbeschränkte Zulassung von HB4-Weizen klagen, da sie Sorge haben, dass ihre gentechnikfreien Bio-Weizenfelder damit verunreinigt werden. Ein Bundesrichter hatte die Regierung bereits vergangenen November aufgefordert, die Bürger am Zulassungsverfahren zu beteiligen. Der Oberste Gerichtshof Argentiniens muss jetzt über einen Antrag von Bundesanwaltschaft und Betroffenen entscheiden, die Zulassung von HB4 auszusetzen, berichtete die Agentur Tierra Viva. [lf/vef]

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