Die Europäische Union fördert erstmals über ihr Forschungsprogramm Horizon zwei Projekte, die Technologien entwickeln wollen, mit denen sich Eingriffe mit neuen gentechnischen Verfahren (NGT) in das Erbgut von Pflanzen nachweisen lassen. Die beiden mit insgesamt elf Millionen Euro unterstützen, internationalen Projekte mit zahlreichen Beteiligten laufen über vier Jahre bis 2027. Da die Mehrheit der Verbraucher:innen wie auch viele Landwirte Transparenz wünschen, hatte das Europaparlament bei der jüngsten Debatte um neue Regeln für NGT-Pflanzen verlangt, dass diese erkennbar sein müssen.
Eines der beiden Projekte, das vom norwegischen Forschungsinstitut Norce koordiniert wird und unter den Namen Darwin läuft, erhält von der EU fünf Millionen Euro. Zu den 14 Projektpartnern aus ganz Europa und Israel zählen der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG), die Justus-Liebig-Universität Gießen und der Biodachverband Ifoam Organics Europe. Als Ziel nennt der Verbund auf seiner Webseite, er wolle „neun zuverlässige und bahnbrechende Nachweissysteme und vier digitale Lösungen entwickeln für Kennzeichnungskonzepte für die Agrar- und Ernährungswirtschaft“. Dazu zählen technische Verfahren wie eine Hochdurchsatz-Metagenomsequenzierung für das Screening und Datenlösungen wie Blockchains, um eine transparente und rückverfolgbare Erkennung entlang der Lebensmittelkette zu ermöglichen. Künstliche Intelligenz soll dabei helfen, genetische Fingerabdrücke für bestimmte Erbgutveränderungen durch NGT-Verfahren wie Crispr/Cas zu verwirklichen. Die gefundenen Verfahren sollen validiert und in drei „realistischen Szenarien zusammen mit der Industrie und den Strafverfolgungsbehörden getestet werden, um zweckmäßige Lösungen für eine Vielzahl von NGT-Organismen im Agrar- und Lebensmittelsektor darzustellen“, schreibt Norce in einer Mitteilung. Das Institut arbeitet bereits in dem bis Ende 2024 laufenden norwegischen Projekt Foodprints an NGT-Nachweismethoden am Modellorganismus Ackerschmalwand und hat schon erste Ergebnisse veröffentlicht.
Sechs Millionen Euro gehen an das Projekt Detective, das die Agrar-Universität SLU im schwedischen Uppsala koordiniert. Zu dem Verbund von 20 europäischen Organisationen gehören der Lobbyverband Euroseeds, die Universität Bayreuth und mehrere Behörden. „Ziel des Projekts sind die Entwicklung, Validierung und Förderung innovativer Nachweismethoden für pflanzliche und tierische Erzeugnisse, die mittels Neuen Genomischen Techniken (NGTs) wie Genome Editing und Cisgenese erzeugt wurden“, schreibt das beteiligte Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Solche effizienten und umfassenden Nachweissysteme seien notwendig für die Rückverfolgbarkeit von Lebens- und Futtermittel liefernden Pflanzen und Tieren und diese wiederum sei „wichtig für die Kennzeichnung der Produkte und die Wahlfreiheit der Verbraucher“. Dabei sollen die technischen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Bereich der Analysemethoden durch eine umfassende Untersuchung nichttechnischer Ansätze ergänzt werden. Zudem schreibt das BVL, Detective wolle die rechtlichen Entwicklungen aufmerksam verfolgen und „Analysen zu verschiedenen politischen Szenarien der EU durchführen, um die sozioökonomischen Auswirkungen sowohl auf EU- als auch auf internationaler Ebene zu identifizieren“.
Beide Projekte versprechen, Interessengruppen aktiv einzubeziehen. Es werde interessant sein zu sehen, „ob die beiden Projekte zu ähnlichen oder unterschiedlichen Schlussfolgerungen in Bezug auf die Machbarkeit des Nachweises von NGT kommen", schreibt die gentechnikkritische Plattform GMWatch. Sie ordnet Detective als eher industriefreundlich ein, da neben dem Lobbyverband Euroseeds weitere für ihre gentechnikfreundlichen Ansichten bekannten Institutionen vertreten seien. GMWatch wirft auch die Frage auf, wie die künftigen Nachweisverfahren dann kommerzialisiert und wem sie unter welchen Bedingungen zur Verfügung stehen werden.
Die mühselige Arbeit, neue Testmethoden zu entwickeln, ließe sich bedeutend erleichtern, schreiben Forschende des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Auch sie hatten nach Nachweismöglichkeiten für vier bereits zur Vermarktung anstehende NGT-Pflanzen gesucht: der Wachsmais von Corteva, die Gaba-Tomate von Sanatech, der herbizidresistente Cibus-Raps und die fettsäureveränderte Sojabohne von Calyxt. Ihr in der Fachzeitschrift Food Control veröffentlichtes Ergebnis: „Voraussetzung für die Entwicklung von Nachweismethoden für NGT-Pflanzen sind genaue Kenntnisse über den Ursprung und die Art des Ereignisses sowie geeignetes Referenzmaterial.“ Doch genau daran hapert es bisher. Auch im NGT-Verordnungsvorschlag der EU-Kommission fehlt eine entsprechende Verpflichtung für die Hersteller und das EU-Parlament hatte es im Februar abgelehnt, eine solche in den Entwurf hineinzuschreiben. Dabei ist sich nicht nur GMWatch sicher: „Die Patentinhaber der Gentech-Industrie verfügen zweifelsohne bereits über eigene Nachweismethoden für ihre patentierten neuen NGTs.“ [lf]