Forschende der Freien Universität Berlin haben eine Braugerste mit Hilfe des neuen gentechnischen Verfahrens Crispr/Cas9 so verändert, dass sie im Labor höhere Erträge lieferte. Diese Gerste darf nun für drei Jahre versuchsweise in der Schweiz im Freien angebaut werden. Auf den Markt kommen wird sie so schnell nicht. Denn was wie eine mögliche Lösung für die Welternährung klingt, ist erst mal Grundlagenforschung – und von Patenten bedroht.
Die Pflanzengenetiker:innen der Freien Universität Berlin beschäftigen sich mit Cytokininen. Das sind Pflanzenhormone, die vielfältige Wachstumsprozesse beeinflussen. Die Konzentration der Cytokinine regeln Enzyme (die Cytokinin-Oxidasen), die diese abbauen. Die Produktion dieser Enzyme wiederum steuert eine Gruppe von Genen, die mit CKX abgekürzt werden. Aus der Forschung an Reis ist bekannt, dass sich dort ein runtergeregeltes CKX2-Gen positiv auf den Ertrag auswirkt. In der Gerste fanden die Forschenden zwei leicht unterschiedliche Varianten von CKX2 und haben diese Gene mit Crispr/Cas9 abgeschaltet.
Die so entstandenen Pflanzen „bildeten im Gewächshaus mehr Körner pro Ähre“, heißt es in der Mitteilung der Schweizer Bundesforschungsanstalt Agroscope. Sie verfügt in Zürich über ein Hochsicherheitsgelände (Protected Site genannt) für Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Dort darf nun im Frühjahr die Crispr-Gerste ausgesät werden, zusammen mit unveränderten Pflanzen der gleichen Sorte. Maximal 7.000 Quadratmeter Platz stehen dafür zur Verfügung, heißt es in der Genehmigung, die das Schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU) am 15. Februar erteilt hat. Um ein unkontrolliertes Auskreuzen der Gentechnik-Pflanzen zu verhindern, müssen landwirtschaftliche Gerstenäcker mindestens 60 Meter Abstand halten, so eine der Auflagen.
Laut Agroscope stehen drei Fragen im Mittelpunkt des dreijährigen Versuchs: Er soll zeigen, ob die Pflanzen auch unter Feldbedingungen mehr Körner pro Ähre bilden und ob daraus tatsächlich ein höherer Ertrag resultiert. Die Forschenden wollen auch herausfinden, ob beide CKX2-Varianten ausgeschaltet werden müssen oder ob eine reicht. Und sie müssen prüfen, ob das Ausschalten einer oder beider Gen-Varianten noch weitere Eigenschaften der Gerste ändert. Denn die Cytokinine sind an verschiedenen Entwicklungsschritten der Pflanzen und an ihren Stressreaktionen beteiligt.
Aber selbst wenn Ende 2026 alle Fragen zur Zufriedenheit der Forschenden beantwortet sein sollten, käme die getestete Crispr-Gerste nicht auf den Markt. Denn es handelt sich um die alte Braugerstensorte „Golden Promise“, die heute nur noch in Forschungslabors verwendet wird, weil sie sich vergleichsweise einfach gentechnisch verändern lässt. Da sie sehr mehltauanfällig ist, würden Landwirte sie nicht anbauen, merkt die Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG) an. „Das gewonnene Wissen kann aber auch bei modernen Gerstensorten und mit guten Erfolgsaussichten auch bei weiteren Getreidearten wie Weizen oder Dinkel angewendet werden“, hält Agroscope entgegen. Allerdings müsste dazu weiter geforscht und im Feldversuch gepflanzt werden. Es dürfte also noch dauern mit den versprochenen höheren Erträgen.
Etwas weiter als mit der Gerste sind die Berliner Forschenden beim Raps. Bereits 2021 berichteten sie, dass durch Ausschaltung von CKX-Genen Raps im Labor mehr Blüten und mehr Samenschoten ansetzte. An dem Projekt namens SEEDS war eine Abteilung von Bayer Crop Science beteiligt, die inzwischen an BASF verkauft wurde. Diese hat nach Angaben der SAG „ein Patent auf Pflanzen der Gattung Brassica – zu der auch der im SEEDS-Projekt verwendete Raps gehört – mit funktionell eingeschränkter Expression der Cytokinin-Oxidasen eingereicht“. Der Raps ist bisher, zumindest in der EU, noch nicht in einem Feldversuch überprüft worden. Die SAG will nicht ausschließen, dass es nach Abschluss der Gerstenversuche ebenfalls zu Patentanmeldungen kommt. Generell profitierten von den Ergebnissen des bewilligten Versuches hauptsächlich das Forschungsteam und seine Partner aus der Industrie. Deshalb stellt die SAG auch die Frage, ob die „für den Versuch eingesetzten staatlichen Mittel – jährlich werden etwa 750 000 Schweizer Franken von der öffentlichen Hand für die Protected Site ausgegeben – nicht sinnvoller eingesetzt werden könnten“. [lf]