Der argentinische Gentech-Weizen HB4 der Firma Bioceres darf in Brasilien angebaut werden, entschied die dortige Gentechnikbehörde CTNBio Anfang des Monats. In einige andere Länder darf er als Lebens- und Futtermittel importiert werden, seit neustem auch nach Indonesien. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass HB4 die globalen Lieferketten für Weizen kontaminieren könnte. In Argentinien kann schon jetzt niemand mehr sagen, in welchem Brot er steckt.
Dass der nach Firmenangaben „dürretolerante“ HB-4-Weizen jetzt auf brasilianischen Äckern wachsen darf, könnte auch dem argentinischen Markt nützen. Denn bisher durfte der Weizen nur in Form von Mehl nach Brasilien ausgeführt werden. Durch die jüngste Freigabe von CTNBio für Einfuhr und Anbau können argentinische Unternehmen nun auch ganze Weizenkörner nach Brasilien exportieren, dem wichtigsten Abnehmer von argentinischem Weizen. Mit seiner Partnerfirma Tropical Melhoramento e Genética will Hersteller Bioceres auch HB4-Saatgut in Brasilien vermarkten und die gentechnische Veränderung in lokale Weizensorten einkreuzen.
„Das grüne Licht bedeutet zwar nicht, dass Brasilien zwangsläufig bald GVO-Weizen für die Produktion anbauen wird“, kommentierte das Portal latina-press.com. Doch spiegele die Behördenentscheidung „einen erheblichen Meinungsumschwung wider, da der Klimawandel und der Krieg in der Ukraine die Sorge vor einer globalen Nahrungsmittelkrise verstärken“. Die Freigabe von HB4-Mehl im November 2021 hatte noch zu massiven Protesten der Getreideverarbeiter geführt. Nun aber teilte der brasilianische Verband der Weizenindustrie, Abitrigo, mit, er befürworte „innovative Entwicklungen“. Der Verband äußerte sich positiv zu den Erleichterungen beim Import, merkte aber auch an: „Das letzte Wort haben die Verbraucher.“ Von diesen allerdings hätten mehr als 70 Prozent nichts dagegen, Produkte mit Gentech-Weizen zu konsumieren, zitierte latina-press eine Umfrage des Keks- und Nudelherstellerverbandes Abimapi. Auch dieser hatte seine einst kritische Haltung geändert und die Zulassung begrüßt.
Im Gegensatz dazu kritisierte laut amerika21.de ein Abgeordneter der Arbeiterpartei (PT), Nilto Tatto, die Zulassung. Nun kämen die Ackergifte direkt ins Brot, sagte Tatto in Anspielung darauf, dass HB4-Weizen gegen das Herbizid Glufosinat resistent ist. In der EU ist der Wirkstoff wegen seiner Giftigkeit verboten. Wissenschaftler:innen und zivilgesellschaftliche Bewegungen hielten es für ein „echtes Verbrechen“, dass Brasilien neben Argentinien als einziges Land der Welt den Anbau dieser Weizensorte zugelassen habe, zitierte amerika21 den Abgeordneten.
Deutlich mehr Länder erlauben inzwischen, HB4-Weizen als Lebens- und Futtermittel zu importieren. Bioceres listet die USA, Kolumbien, Neuseeland, Australien, Südafrika und Nigeria auf. Mitte März neu hinzugekommen ist Indonesien, wie die Agentur Reuters meldete. Das Land ist nach Brasilien der wichtigste Abnehmer von argentinischem Weizen und hatte laut Reuters im vergangenen Jahr 1,34 Millionen Tonnen Weizen aus Argentinien bezogen.
Da HB4-Weizen ohne Kennzeichnung angebaut und verarbeitet wird, kann er gentechnikfreien Weizen verunreinigen - im Export, vor allem aber in Argentinien selbst. Dort wurde der HB4-Weizen zuerst getrennt geerntet und verarbeitet. Seit Mai 2022 darf er jedoch mit herkömmlichem Weizen vermischt werden. „Wir arbeiten mit mehr als 25 Mühlen zusammen, und die Kommerzialisierung des HB4-Weizens verläuft reibungslos“, zitierte die Tageszeitung taz einen Bioceres-Mitarbeiter. „Eine frustrierte Hilflosigkeit macht sich breit“, beschreibt die taz die Stimmung der Kund:innen in einer argentinischen Bäckerei.
HB4 ist ein Weizen, in dessen Erbgut mit alten gentechnischen Verfahren ein Gen der Sonnenblume eingeschleust wurde. Dadurch soll die Pflanze Dürren besser widerstehen können. Bioceres schreibt in seiner jüngsten Präsentation, dass HB4 im Anbaujahr 2022/23 in den „Zielumgebungen“ verglichen mit herkömmlichen Sorten bis zu 43 Prozent mehr Ertrag gebracht hätte. Gemeint sind Regionen mit einem weit unterdurchschnittlichen Weizenertrag. In Gegenden, in denen die durchschnittliche Ernte höher lag, steigerte HB4 den Ertrag dagegen nur um sieben bis acht Prozent. Bioceres interpretierte die Zahlen so, dass die niedrigen Durchschnittserträge dürrebedingt seien und HB4 der Dürre erfolgreich getrotzt habe. Allerdings machte Bioceres keine Angaben mehr über die mit HB4-Weizen bepflanzte Fläche oder über Hektarerträge. Im vergangenen Anbaujahr 2021/22 hatten diese Zahlen gezeigt, dass HB4 weit niedrigere Ernten einbrachte als handelsübliche Hochleistungssorten. [lf]