Die Menschen in Bayern wählen im Oktober einen neuen Landtag. Ein breites Bündnis von Organisationen will im Vorfeld der Wahl erreichen, dass sich alle Parteien klar zu einem gentechnikfreien Bayern bekennen – auch die CSU. Dass das keine Utopie ist, hat ein ähnliches Bündnis in der Vergangenheit bereits gezeigt.
Sie nennen sich „Bündnis Bayern für eine gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft“ und haben sich heute in München der Presse vorgestellt. „Eine Deregulierung neuer Gentechniken wäre ein Frontalangriff auf unsere Wahlfreiheit und demokratische Selbstbestimmung darüber, was wir züchten, anbauen, verarbeiten und essen“, schreiben sie. Deshalb dürften Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und seine Umweltkollegin Steffi Lemke (beide Grüne) keinen Ausnahmen für die neuen Gentechnikverfahren vom europäischen Gentechnikrecht zustimmen, wenn die EU-Mitgliedsstaaten Ende des Jahres in Brüssel darüber abstimmen werden. Weiter heißt es in dem Positionspapier des Bündnisses: „Wir fordern von der Bayerischen Staatsregierung und von den im Bayerischen Landtag vertretenen Parteien - vor dem Hintergrund der Landtagswahl im Oktober 2023 - ein klares Bekenntnis für ein gentechnikfreies Bayern.“
Das Bündnis zählt 25 Organisationen aus Landwirtschaft, Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz, darunter der Bund Naturschutz, mehrere Bio-Verbände und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Bayern. Mit dabei sind ferner die Verbraucherzentrale Bayern, das Imkernetzwerk, das katholische Landvolk und der Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM). Dieses Bündnis reicht also weit hinein in die konservative, ländliche Bevölkerung im Freistaat, die immer noch mehrheitlich CSU wählt.
Auf dem Land zeigt es Wirkung, wenn sich mit Hans Leis der Landesvorsitzende des BDM klar positioniert: „Wir haben zwei Jahrzehnte investiert, um den Verbraucher*innen nachvollziehbar gentechnikfreie Produkte zu liefern“, erklärte er. Dadurch sei die Transparenz von Lieferketten auch bei den Futtermitteln gestiegen. „Die Lobby-Kräfte, die nun über die EU-Kommission diese Transparenz aushöhlen wollen, setzen auf die Täuschung der Verbraucher*innen“, kritisierte Leis. Risikoprüfung, Zulassungsverfahren und Kennzeichnungspflicht müssten auch für Produkte neuer gentechnischer Verfahren beibehalten werden.
Das Bündnis knüpft an eine erfolgreiche Vergangenheit an. In den Jahren 2006 bis 2008 engagierten sich in Bayern auf lokaler Ebene Bäuer:innen und Naturschützer:innen gemeinsam gegen den Anbau von gentechnisch verändertem Mais. Sie initiierten gentechnikfreie Regionen und füllten mit ihren Veranstaltungen ganze Bierzelte. Besonders erfolgreich waren sie dabei in Oberbayern. Unter dem Titel „Aktionsbündnis Zivilcourage“ schlossen sich dort in insgesamt 32 Landkreisen Engagierte zusammen. Das Ergebnis damals: Zahlreiche Landkreise, Städte und Gemeinden in Bayern erklärten sich zu gentechnikfreien Regionen. Die CSU mutierte zur Gentechnikkritikerin und schließlich verbot die damalige Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) 2009 die Aussaat von genverändertem Mais der Sorte MON 810.
Auch beim aktuellen Bündnis sind wieder vier Kreisverbände der „Zivilcourage“ dabei und vor Ort auch schon aktiv geworden. Sie haben etwa erreicht, dass der Kreistag im oberbayerischen Landkreis Miesbach Ende 2022 seine Beschlüsse, mit denen er 2008 und 2010 gentechnisch veränderte Pflanzen abgelehnt hatte, einstimmig erneuerte und dabei die neue Gentechnik, das sogenannte Genome editing, mit aufnahm. Erste Gemeinden im Kreis unterstützten das Vorgehen mit eigenen Gemeinderatsbeschlüssen. Sollte dieses Vorgehen Schule machen, ließe sich damit die Diskussion um die geplanten Lockerungen für neue Gentechnik in der Europäischen Union auf die lokale Ebene holen und vervielfachen. Nicht nur in Bayern übrigens: Bundesweit gibt es rund 350 gentechnikfreie Kommunen, deren Beschlüsse ein Update bräuchten, um auch neue gentechnische Verfahren abzudecken. [lf]