Das indische Umweltministerium hat den Versuchsanbau von gentechnisch verändertem Senf erlaubt. Doch das oberste Gericht des Landes, der Supreme Court, hat diese Erlaubnis vorläufig einkassiert. Erst will es über die Eingabe einer Umwelt-Aktivistin entscheiden. Diese hatte den gv-Senf schon einmal ausgebremst.
Die indische Verfassung gewährt einfachen Bürger*innen das Recht, Entscheidungen der Regierung direkt vor dem Obersten Gericht anzufechten, ohne sie vorher auf den Weg durch die Gerichtsinstanzen zu schicken. Die Umweltaktivistin Aruna Rodrigues hat dieses Recht zweimal erfolgreich genutzt – was sie zum Alptraum der indischen Gentech-Befürworter:innen gemacht hat. Schon 2005 reichte Rodrigues ihre erste Petition beim Supreme Court ein. Sie verhinderte damit den Anbau von gv-Auberginen und erreichte schließlich 2013 ein weitreichendes Moratorium für den Anbau gentechnisch veränderter Nahrungspflanzen. 2017 stoppte sie über den Supreme Court den Versuch, einen von der Universität Delhi entwickelten gentechnisch veränderten (gv) Senf auf den Acker zu bringen. Nur einige Feldversuche gab es seitdem.
Doch am 25 Oktober erteilte das indische Umweltministerium die Erlaubnis, diesen gv-Senf anzubauen. Der Anbau sollte es möglich machen, das Saatgut zu vermehren und weitere Versuche unter verschiedenen klimatischen Bedingungen durchzuführen – als Voraussetzung für einen kommerziellen Anbau. Nach Angaben des Magazins Counterview sollte der Versuchsanbau an über 100 Plätzen in vier Bundesstaaten stattfinden. Mit seiner Entscheidung folgte das Ministerium einer Empfehlung der ihm unterstellten Gentechnikbehörde GEAC. Daraufhin rief Aruna Rodrigues wieder direkt das Oberste Gericht an, um die erneute Zulassung zu stoppen. Am 3. November verbot das Gericht in einer einstweiligen Verfügung vorerst jeglichen Anbau und hat nun für 10. November einen ersten Termin angesetzt, um Rodrigues Petition zu verhandeln.
Zuvor war die Entscheidung des Umweltministeriums bereits von Umweltgruppen scharf kritisiert worden. „Die Zulassung könnte zur Verbreitung unsicherer, nicht benötigter und unerwünschter Gentech-Pflanzen im Land führen“, schrieb die Koalition für ein gentechnikfreies Indien dem Umweltminister. Sie argumentierte, dass der Senf gegen das gefährliche Herbizid Glufosinat resistent sei, dessen Anwendung dadurch steigen würde. Auch seien die Behauptungen nicht belegt, der gv-Senf würde höhere Erträge bringen. Auch der Kleinbauernverband All India Kisan Sabha und die den nationalistischen Hindus nahestehende Bauernbewegung Swadeshi Jagran Manch (SJM) protestierten gegen die Zulassung. SJM kritisierte auch die Behauptung der Entwickler, ihr gv-Senf sei „swadeshi“, also rein indisch. „Komplett unwahr“ sei dies, zitierte das Magazin Firstpost den SJM-Mitbegründer Ashwani Mahajan. Denn die in den Senf eingebaute Resistenz stammt von Bayer, wurde schon vor 25 Jahren für gv-Raps verwendet und würde dem Konzern Lizenzgelder einbringen, sollte der gv-Senf in Indien kommerzialisiert werden, wie das Magazin Counterview schrieb.
Da der Supreme Court sich schon früher sehr gentechnikkritisch gezeigt hatte, dürfte er auch in diesem Verfahren gründlich zu Werke gehen und damit die Anbaupläne für den gv-Senf weit nach hinten schieben. Denn Senfkörner und Senföl gehören (ebenso wie die früher verhandelten Auberginen) zu den Basics der indischen Küche. Entsprechend groß sind in der Bevölkerung die Vorbehalte gegen gv-Senf. Es bleibt also vorerst dabei, dass Bt-Baumwolle die einzige gv-Pflanze ist, die in Indien angebaut werden darf. [lf]