Das Landgericht Frankfurt/Oder hat ein Agrar-Unternehmen dazu verurteilt, Schadensersatz an einen Imker zu zahlen. Das von dem Unternehmen eingesetzte Herbizid Glyphosat hatte den Honig des Imkers belastet und unverkäuflich gemacht. Zwar ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, doch schon jetzt sei es ein „richtungsweisendes Signal für die Landwirtschaft und Politik“, schrieb die Aurelia-Stiftung, die den klagenden Imker unterstützt hatte.
Der Brandenburger Imker Sebastian Seusing hatte ein Bienenhaus direkt neben einer großen Fläche der Stadtgüter Berlin Nord KG. Auf dieser wuchsen im April 2019 Luzerne und Löwenzahn. Ende April spritzte die KG die blühenden Pflanzen mit einem glyphosathaltigen Herbizid tot, um auf der Fläche Mais anzubauen. Seusings Bienen sammelten von den sterbenden Pflanzen weiterhin Nektar und Pollen und brachten dadurch das Glyphosat in die Bienenkästen. Als der Imker den Pestizideinsatz bemerkte, ließ er den Honig untersuchen. Da der Honig den Grenzwert für Glyphosat um das 150-fache überschritt, musste er vernichtet werden. Den dadurch entstandenen Schaden von gut 14.000 Euro klagte Seusing ein.
Das Landgericht gab dem Imker in vollem Umfang recht. Das beklagte Unternehmen habe widerrechtlich und fahrlässig gehandelt, heißt es in der Urteilsbegründung. Die Richterin argumentierte, dass der Einsatz von Pestiziden mit Gefahren für die Rechtsgüter Dritter verbunden sei. Ein Landwirt müsse deshalb die erforderlichen und ihm zumutbaren Vorkehrungen treffen, um die Schädigung Dritter möglichst zu verhindern. Die Richterin verwies dabei auf eine Pflanzenschutzinformation des Landesamts für ländliche Entwicklung Brandenburg (LELF), in der es hieß: „Zur Vermeidung von Rückständen im Honig sollte auch der Einsatz glyphosathaltiger Herbizide auf blühende Pflanzen unterbleiben“. Das Agrar-Unternehmen hätte den Bewuchs auf dem Acker zur Vorbereitung der Maissaat auch mechanisch durch Umpflügen beseitigen können, steht im Urteil. In einer aktuelleren Fassung seiner Pflanzenschutzinformationen vom Mai 2020 formuliert das LELF übrigens noch deutlicher: „Das Abspritzen von blühenden Kulturbeständen mit Glyphosat-haltigen Mitteln entspricht nicht der guten fachlichen Praxis im Pflanzenschutz!“
„Das Gericht hat klargestellt, dass diejenigen, die Pestizide einsetzen, dafür sorgen müssen, dass dadurch kein Schaden entsteht“, kommentierte Seusings Anwalt Georg Buchholz die Entscheidung. „Die Tatsache, dass Landwirt*innen für Schäden durch Pestizide zur Haftung herangezogen werden können, hilft hoffentlich dabei, dass derartige Schäden seltener auftreten“, sagte Thomas Radetzki, Vorstand der Aurelia Stiftung. Die Stiftung hatte Seusing unterstützt und mitgeholfen, den Prozess über Spenden zu finanzieren.
Ganz glücklich ist Radetzki mit dem Urteil nicht, weil es sehr auf die Umstände des Einzelfalls abhebt und grundsätzliche Fragen offenlässt. „Wir hätten uns gewünscht, dass die Richterin in ihrer Begründung schreibt, dass Bienen zur Landwirtschaft dazugehören und der Landwirt immer damit rechnen muss, dass das, was er spritzt, Bienen erreicht“, sagte Radetzki der Agentur dpa.
Schließlich fliegen Bienen mehrere Kilometer weit. In einem Bienenstand Seusings, der drei Kilometer vom besprühten Feld entfernt lag, betrug die Glyphosatbelastung immer noch das Zehnfache des Erlaubten. Zwei Monate später musste der Imker eineinhalb Tonnen Kornblumenhonig vernichten. Er war mit Glyphosat belastet, das vermutlich aus einem der umliegenden Getreidefelder stammte. Das Getreide war totgespritzt worden, um die Ernte zu erleichtern. Sikkation heißt diese Praxis, die erst 2021 verboten wurde. Aufgrund der vielen Rückschläge gab Bioland-Imker Seusing 2020 seinen Betrieb auf. Den Prozess führte er dennoch weiter. [lf]