Wie erwartet ist auch der zweite Versuch des Agrarchemiekonzerns Bayer gescheitert, die Welle Zehntausender Produkthaftungsklagen wegen seines glyphosathaltigen Unkrautvernichters „Round Up“ vom obersten Gericht der USA stoppen zu lassen. Der Supreme Court wies nach Medienberichten heute die Beschwerde des Konzerns gegen einen Schadenersatzanspruch des Rentnerehepaars Pilliod ab. Doch Bayer will es weiter versuchen.
„Wir sind mit der Entscheidung des Supreme Courts nicht einverstanden, sie kommt nach der Ablehnung des Falls Hardeman vor nur einer Woche aber auch nicht überraschend“, teilte Bayer mit. „Es kann künftig weitere Fälle geben – auch zu Roundup – in denen der Supreme Court mit Fragen des Vorrangs von Bundesrecht konfrontiert wird.“ Wie der Konzern bereits vorige Woche ausgeführt hatte, setzt er nun auf das Verfahren des Klägers John Carson aus dem Bundesstaat Georgia, der nach Glyphosatgebrauch an einem bösartigen Weichteiltumor erkrankt war. Hier hatte ein Bundesgericht den Schadenersatzanspruch abgelehnt mit dem Argument, dass Klagen aufgrund fehlender Warnhinweise auf der Gebrauchsanleitung der Spritzmittel in einzelnen Bundesstaaten durch Bundesrecht ausgeschlossen seien.
Weil Bayer hofft, dass der Supreme Court diese Frage ähnlich beantworten und damit den Glyphosatklägern ein wichtiges Argument rauben würde, will der Spritzmittelhersteller unbedingt, dass die obersten Richter über eine der Klagen entscheiden. Auf das Carson-Verfahren setzen die Bayer-Juristen nun auch deshalb ihre Hoffnung, weil hier ein Untergericht anders als bei Hardeman und Pilliod einen Schadenersatzanspruch abgelehnt hat. Und wenn verschiedene Berufungsgerichte unterschiedlich urteilen, könnte das für den Supreme Court ein Grund sein, für eine einheitliche Rechtsauslegung zu sorgen, erläutert der Chemiekonzern auf seiner Webseite. Das habe auch die Regierungsanwältin, die bisher gegen eine Entscheidung des Supreme Court votierte, in ihrer Stellungnahme ausgeführt.
Damit der Carson-Prozess bis zum Supreme Court vordringt, müsste John Carson aber gegen seine Niederlage Rechtsmittel einlegen. Wie eine Anwältin im Interview mit der die Wirtschaftswoche aufdeckte, habe der Bayerkonzern Carson die nötigen Finanzmittel für ein Berufungsverfahren zur Verfügung gestellt. Aimee Wagstaff, die neben Edwin Hardeman zahlreiche weitere Glyphosatgeschädigte vor Gericht vertritt, rechnet trotzdem nicht damit, dass der Supreme Court im Sinne Bayers entscheiden wird. Bayer stecke „in enormen Schwierigkeiten“, meinte Wagstaff, vor allem nachdem ein Bundesgericht kürzlich entschieden habe, dass die US-Umweltbehörde EPA die Risiken von Glyphosat für den Menschen erneut überprüfen muss. Ihre Kanzlei werde jedenfalls weiter prozessieren.
Das Rentnerehepaar Alva und Alberta Pilliod, beide an Lymphdrüsenkrebs erkrankt, ist jetzt jedenfalls um fast 90 Millionen Dollar Schadenersatz reicher. Sie hatten Monsantos (inzwischen Bayers) Unkrautvernichter Round Up jahrelang in ihrem Garten im US-Bundesstaat Kalifornien eingesetzt. [vef]Bloomberg law: Bayer Loses Again as High Court Allows Roundup Award (27.06.2022)Advocate Thomas G. Sprankling, Monsanto v Alberta and Albert Pilliod, Petition for a writ of certiorari in the Supreme Court (March 2022)U.S. Right to Know: Monsanto Roundup & Dicamba Trial TrackerInfodienst - Urteil: US-Umweltbehörde muss Glyphosat-Risiken neu bewerten (22.06.2022)Bayer AG: Stellungnahme zur Entscheidung des Supreme Court im Fall Hardeman (21.06.22)