Nach dem Nationalrat hat auch die zweite Parlamentskammer der Schweiz, der Ständerat, einem Kompromiss über das Moratorium zum Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Schweiz zugestimmt: Das Ende 2021 ausgelaufene Moratorium wird bis Ende 2025 verlängert. Die Regierung soll bis Mitte 2024 eine Regelung erarbeiten, die für genomeditierte Pflanzen ohne fremde DNA eine Ausnahme macht.
Erarbeitet hatten den Kompromissvorschlag zur Änderung des Gentechnikgesetzes die Wissenschaftskommission des Nationalrats gemeinsam mit dem Bauernverband. Danach sollen in naher Zukunft auf Schweizer Äckern Pflanzen wachsen dürfen, „die mit Methoden der neuen Züchtungstechnologien (NZT) gezüchtet wurden, denen kein transgenes Erbmaterial eingefügt wurde und die gegenüber den herkömmlichen Züchtungsmethoden einen nachgewiesenen Mehrwert für Landwirtschaft, die Umwelt oder die Konsumentinnen und Konsumenten haben“. Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, solle dem Parlament „spätestens bis Mitte 2024 einen Erlassentwurf für eine risikobasierte Zulassungsregelung“ für solche Pflanzen und Saatgut für Land- und Forstwirtschaft sowie den Gartenbau vorlegen.
Mehrere Parlamentarier sowie eine Regierungsvertreterin kritisierten im Nationalrat das Vorgehen als überstürzt. Die für Umwelt zuständige Bundesrätin Simonetta Sommaruga (SP) erinnerte daran, dass das Parlament ihre Regierung erst kürzlich beauftragt hatte, den Einsatz solcher Gentechnikmethoden und ihrer Folgen gründlich zu prüfen. „Sie wollen etwas prüfen lassen und gleichzeitig schreiben Sie schon im Gesetz, was gilt, das ist vom Ablauf her etwas schwierig“, mahnte Sommaruga - auch im Blick auf die Akzeptanz der mehrheitlich kritischen Bevölkerung. Die Regierung plädiere daher weiter dafür, das Moratorium unverändert bis 2025 zu verlängern.
Die Schweizer Allianz gentechnikfrei (SAG) zeigte sich „erleichtert“, dass der Anbau von Gentech-Pflanzen prinzipiell verboten bleiben soll. Die verbleibende Zeit müsse jetzt genutzt werden, für Produkte neuer gentechnischer Verfahren „eine risikobasierte Zulassung auszuarbeiten, die die Sicherheit von Mensch, Umwelt und Wirtschaft gewährleistet sowie die Wahlfreiheit von Konsum und Landwirtschaft sichert. Dazu ist eine Regelung der neuen gentechnischen Verfahren im Gentechnikgesetz zwingend“, betonte die SAG. Sie hob erneut hervor, dass genmanipulierte Pflanzen nicht sicherer seien, wenn keine fremden Gene eingeführt wurden. Da mit neuen gentechnischen Verfahren wie Crispr/Cas besonders tief ins Erbgut der Pflanzen eingegriffen werden könne, seien die Risiken im Gegenteil größer als bei der klassischen Gentechnik. „Das erhöhte Risiko verlangt nach einer strengeren Regulierung, die eine umfassende Risikoprüfung vorschreibt“, so das Bündnis. Der Anbauverband Bio-Suisse argumentierte, die kleinräume Schweiz sei gut beraten, in Zukunft auf den lukrativen gentechnikfreien Qualitätsmarkt zu setzen, anstatt eine unmögliche und teure Koexistenz von gentechnisch veränderten mit unveränderten Pflanzen zu versuchen.
Wie berichtet hatten Bundesrat und Nationalrat (144 zu 35 Stimmen) vergangenes Jahr empfohlen, das seit 2005 geltende Moratorium unverändert bis 2025 zu verlängern. Nach einem entsprechenden Votum seiner Wissenschaftskommission hatte der Ständerat jedoch im Dezember in einem Stichentscheid dafür votiert, genomeditierte Pflanzen, bei denen keine fremde DNA eingefügt wurde, vom Moratorium auszunehmen. Daraufhin musste sich der Nationalrat erneut mit dem Vorhaben befassen und verabschiedete seinen Kompromiss. "Der Nationalrat hat einen pragmatischen Mittelweg beschlossen, mit dem die Forschung, die Wirtschaft und damit auch die Mehrheit von Kommission und Ständerat leben können, ebenso die Minderheit", sagte Hannes Germann, Vorsitzender der Wissenschaftskommission des Ständerats und empfahl die Annahme. Umweltbundesrätin Simonetta Sommaruga erklärte, dass sich der Bundesrat dem Kompromiss anschließen könne. Dieser muss nun formell noch in einer Schlussabstimmung von beiden Kammern bestätigt werden. [vef/lf]
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