Ein Biologe an der Universität Göttingen hat Experimente mit gentechnisch veränderten Fliegen durchgeführt - in einem Labor, das nicht die vorgeschriebenen Sicherheitsstandards erfüllte. Das teilten die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), das Gen-ethische Netzwerk (GeN) und Testbiotech mit. Sie wollen nun von der niedersächsischen Landesregierung wissen, wer die Versuche genehmigt hat, welche Insektenart verwendet wurde und ob die Versuche wirklich eingestellt wurden.
Aufmerksam auf den Fall wurden die drei Organisationen durch ein Interview in der Fachzeitschrift Laborjournal. Darin berichtete der Entwicklungsbiologe Ernst Wimmer über eine bisher noch nicht veröffentlichten Forschungsarbeit. Er hatte dafür Insekten mit Hilfe der Gentechnik-Schere CRISPR-Cas gentechnisch so verändert, dass sich ihre Eigenschaften besonders schnell innerhalb der Art ausbreiten können. Experten sprechen von einem sogenannten Gene Drive. Zusammen mit dem Gene Drive wurden die Insekten so manipuliert, dass bei der Fortpflanzung keine männlichen Nachkommen mehr entstehen und die Population dadurch zusammenbricht. Mit ihren Experimenten wollten die Forscher in Göttingen herausfinden, wie zuverlässig sich dieser Mechanismus vererben lässt. Dabei stellten sie fest, dass sich bei nachfolgenden Generationen jeweils an der Stelle im Erbgut, wo der Gene Drive eingebaut wurde, ungewollte Mutationen häuften. Dadurch wurde der Gene Drive immer unzuverlässiger, und nach einigen Generationen brachten die Tiere auch wieder fruchtbare Weibchen zu Welt. Die Fliegen wurden quasi resistent.
„Die Versuche zeigen, dass Eingriffe in das Erbgut mit neuen Gentechnik-Verfahren wie CRISPR-Cas nicht so vorhersagbar sind, wie von interessierter Seite immer behauptet wird“ sagte Annemarie Volling von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Sie warnte, dass Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung betroffen seien, wenn derart veränderte gentechnische Fliegen aus dem Labor entkämen. Aus diesem Grund hat die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) festgelegt, dass Versuche mit Gene-Drive-Populationen nur noch in Laboren der Sicherheitsstufe 2 stattfinden sollen. Weil er über ein solches Labor nicht verfüge, habe er die Versuche abgebrochen und die Fliegenstämme in ein S2-Labor zur Aufbewahrung gegeben, sagte Wimmer in dem Interview.
Gentechnisch veränderte Insekten werden immer wieder als Mittel gegen Pflanzenschädlinge oder Krankheiten übertragende Mücken angepriesen. Während in Süd- und Mittelamerika solche Tiere bereits freigesetzt wurden, konnten in Europa Freisetzungsversuche bisher verhindert werden. [lf]Die Mitteilung der drei Organisationen (23.3.2017)Das Interview im Laborjournal, Heft 1-2 2017 (Februar 2017, ab Seite 12)Stellungnahme der ZKBS zur Einstufung von gentechnischen Arbeiten mit Gene-Drive-Systemen (Februar 2016)Dossier: Gentechnik-TiereDossier: Neue Gen-Techniken - CRISPR & Co