UPDATE: Das Europäische Parlament (EP) hat sich heute gegen Zulassungen von drei gentechnisch veränderten Mais- und einer Baumwollsorte in der Europäischen Union (EU) ausgesprochen. Es forderte die Europäische Kommission mit großer Mehrheit auf, ihren entsprechenden Vorschlag zurückzuziehen, da die Risiken unzureichend geprüft worden seien. Sollte die Kommission dieser Resolution des Parlaments nicht folgen, müssen die Mitgliedsländer voraussichtlich im November über die Zulassungen abstimmen.
Es geht um den Anbau der Maissorten 1507 (DuPont), Bt11 (Syngenta), MON 810 (Monsanto) sowie um Erzeugnisse aus MON 810 und einer gentechnisch veränderten Baumwolle. All diese Pflanzen sondern Gifte gegen Schädlinge ab und sind - mit Ausnahme von MON810 - gegen Spritzmittel resistent. MON810 war übrigens bereits 1998 für zehn Jahre zugelassen worden. Seit 2008 läuft diese Zulassung mangels Entscheidung der EU-Gremien automatisch weiter.
Die EU-Parlamentarier kritisierten nun, die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) habe die Risiken eines Anbaus der genmanipulierten Pflanzen nicht ausreichend geprüft. Eine Zulassung sei nicht mit dem Vorsorgeprinzip des EU-Rechts vereinbar, heißt es in den Beschlussvorlagen, die der Umweltausschuss des EP am Montag verabschiedet hatte. So sei der von der EFSA empfohlene Abstand von 20 bis 30 Metern zum nächsten Naturschutzgebiet kein ausreichender Schutz; erst recht nicht die von der Kommission verlangten fünf Meter. Außerdem fehlten klare Angaben, in welchem Umfang Schmetterlinge von den Insektengiften bedroht sind, welche die Pflanzen ausscheiden.
Ein großes Risiko für Bauern und Umwelt sei schließlich eine Ausbreitung der Teosinte: Die Urform des Mais könne sich – möglicherweise durch Kreuzung mit gentechnisch manipulierten Maissorten - zu einem giftigen, herbizidresistenten und damit unausrottbaren Unkraut entwickeln.
Auch das Institut Testbiotech monierte, die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) habe die Risiken eines Anbaus von Gentech-Mais heruntergespielt. Für eine zuverlässige Risikobewertung fehlten noch diverse Daten. So sei bislang nicht untersucht, welche Teosinte-Arten sich auf spanischen Feldern ausbreiten. Testbiotech-Direktor Christoph Then warnte davor, dass Kreuzungen aus Mais und Teosinte wesentlich mehr Insektengifte produzieren könnten, als der ursprüngliche Gentech-Mais. Ohne Datengrundlage behaupte die EFSA, die Ausbreitung der Teosinte lasse sich kontrollieren, obwohl nach offiziellen Angaben in Spanien schon auf rund 750 Hektar Maisfeldern Teosinte-Pflanzen gefunden wurden.
Then rügte ferner, die EFSA sei bei dem Gutachten von der EU-Kommission unter großen Zeitdruck gesetzt worden. Schließlich bestehe möglicherweise ein Interessenkonflikt, da der federführende Autor des Teosinte-Berichts, Yann Devos, in leitender Funktion bei der Organisation „International Society for Biosafety Research“ (ISBR) arbeite, die zu großen Teilen von der Industrie finanziert werde.
Faktisch würde sich die Situation in Deutschland, 16 weiteren EU-Mitgliedsstaaten sowie vier Regionen auch dann nicht ändern, wenn die Anbauzulassungen durchkämen - auf welchem Weg auch immer. Denn diese 17 Staaten haben im vergangenen Jahr von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Anbau der drei Maissorten auf ihren Territorien zu verbieten. [vef]Die Beschlussvorlagen aus dem Ausschuss für Umweltfragen öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des EU-Parlaments, Sitzung vom 3.10.2016Abstimmungsergebnisse im Europäischen Parlament am 6.10.2016Presseinfo von Testbiotech: Durch Anbau von Gentechnik-Mais drohen neue Superunkräuter (4.10.2016) mit Stellungnahme der EFSADossier: Mais MON810 (Monsanto)Überblick: Gift und Gentechnik