Soll der Herbizidwirkstoff Glyphosat bis 2031 weiter genutzt werden dürfen? Ja, meinen die EU-Kommission und auch die deutsche Regierung. Dabei wollen sie nicht abwarten, bis Experten der WHO und der Europäischen Chemikalienagentur sich zum Krebspotenzial des Ackergifts geäußert haben. Das EU-Parlament wird heute hingegen wohl gegen eine Verlängerung für Glyphosat stimmen. Zuletzt hatte die Große Koalition in Berlin über eine Wiederzulassung von Glyphosat gestritten. Scheinbar hat sich das CSU-geführte Agrarministerium nun durchgesetzt. In einem Brief an die EU-Kommission habe das Ministerium angekündigt, dass Deutschland der Glyphosat-Verlängerung zustimmen werde, berichtete die Süddeutsche Zeitung am Montag. Das SPD-geführte Umweltministerium konnte nur noch zur Bedingung machen, dass „Risiken für die biologische Vielfalt im Rahmen der Mittelzulassung besonders zu berücksichtigen“ seien. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hervor. Diese zeigt auch, dass Agrarminister Christian Schmidt (CSU) nicht abwarten will, ob die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) oder ein Gremium der WHO bei Glyphosat Risiken auf Krebserkrankungen erkennen. Die Experten prüfen das, nachdem die Internationale Krebsforschungsagentur der WHO glyphosat-haltige Spritzmittel letztes Jahr als „wahrscheinlich krebserregend“ für Menschen eingestuft hat, während die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) und das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Entwarnung gaben. Auf deren „fachlich kompetente Bewertung“ vertraue die Regierung, heißt es in dem Schreiben. Ob der Verkauf von Glyphosat an „nicht-professionelle Anwender“ - also beispielsweise Hobbygärtner – untersagt werden könne, prüfe die Bundesregierung noch. Wie lange das dauert und was dabei heraus kommt, sei „zurzeit noch nicht abzusehen“. Heute stimmt das EU-Parlament darüber ab, wie es sich zur Verlängerung der Glyphosat-Zulassung positioniert – allerdings ist die Europäische Kommission nicht an das Ergebnis gebunden. Der Entwurf, über den die Abgeordneten heute beraten, kritisiert die von Brüssel vorgeschlagene Verlängerung für Glyphosat, weil so „kein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt gewährleistet wird, das Vorsorgeprinzip nicht befolgt wird“ und Befugnisse der Kommission überschritten würden. Bei den meisten Bürgern stößt der weitere Einsatz von Glyphosat ebenfalls auf Skepsis. Laut einer aktuellen Umfrage von Yougov unter 7.000 Menschen in fünf EU-Mitgliedstaaten plädieren in Italien 76 Prozent der Befragten für ein Verbot des Gifts; in Deutschland sind es 70 Prozent, in Frankreich 60 Prozent und in Großbritannien sowie Spanien 56 Prozent. Für die Glyphosat-Erlaubnis sprachen sich durchschnittlich nur neun Prozent aus. [dh]Süddeutsche.de: Bundesregierung will Pestizid Glyphosat weiter erlauben (11.04.16)EU-Parlament: Entschließungsantrag zu GlyphosatUmweltparlamentarier stimmen gegen Glyphosat (22.03.16)Dossier: Gentechnik & Glyphosat ("Roundup")Dossier: Zahlen und Fakten zu Glyphosat/RoundupÜberblick: Gift und Gentechnik